The Blasters 1985. Ihr Album Hard Line sollte ihnen den Durchbruch bescheren. Ging sich leider nicht ganz aus.

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Ein erstes Lied der Band kannte ich schon, da wusste ich noch gar nicht, dass es sie gibt. Und es sollte sich als kleiner Prüfstein erweisen. Dazu später mehr. Und dann haben sie noch ein Lied, das das zweite Einzige sein dürfte, für das die Band einem größeren Publikum bekannt ist. Auch dazu später.

Meiner Erinnerung nach war es aber ein drittes Lied, das mich auf diese Band brachte: Das heißt Samson and Delilah und befand sich auf einer Kompilation, wie sie die Ö3-"Musicbox" in den 1980ern als "C 45" in den Sommermonaten hat laufen lassen. Damals haben Redakteure zu selbstgewählten Themen 45-minütige Mixtapes zusammengestellt und im Radio abgespielt. Die Tracklist konnte man sich postalisch bestellen, ausschneiden und als Kassettencover verwenden. Süß. Gerade lief Mother of Earth vom Gun Club, dann Samson and Delilah. Der Titel verrät es bereits. Es ist ein Gospel, ein Traditional, das eine Band spielte, die sich The Blasters nannte.

The Blasters: Samson and Delilah.
The Blasters - Topic

Freund G. war der Erste, der ihre Platten auftrieb. Auf der einen sah man eine nicht wahnsinnig ansprechende Grafik eines seltsam verzerrten Gesichts mit reichlich Zahnfleisch überm Gebiss. Erst als ich die Blasters 1992 live sah, wurde mit bewusst – das ist ja der Sänger! Auf der Rückseite sah man einen Glatzkopf im nassen Hemd im Pool stehen und ein paar Typen mit Elvis-Tolle: The Blasters sind eine Rock-'n'-Roll-Band, aber was für eine.

Die Sache mit Shakin' Stevens

Dann der erste Prüfstein, wir erinnern uns, die Geschichte spielt in den 1980ern. Damals arschwackelte ein geschleckter und immens erfolgreicher Typ namens Shakin' Stevens aus dem Radio und dem Hitparadenfernsehen. Einer seiner Hits war Marie Marie, und der stammte – tatsächlich: von den Blasters. Es dauerte etwas, bis ich den Song für mich dekontaminieren konnte; der Rest des Albums half beträchtlich.

This Is It in einer Zeitzeugen-Version.
Steve M

The Blasters kommen aus einem Vorort von Los Angeles. In den frühen 1980ern waren sie Teil der L.A.-Punk-Szene. Zwar spielten sie klassischen Rockabilly, aber mit einer derartigen Intensität, dass sie sich die Bühne mit Bands wie Black Flag, Fear oder X teilten, ohne vom Publikum aufgefressen zu werden.

Roberto und Quentin

Samson and Delilah stammte von Album Hard Line aus 1985. Darauf befindet sich auch der Song, mit dem die Blasters in den 1990ern einem größeren Publikum bekannt wurden. Ihr Dark Night wurde in Robert Rodriguez' Film From Dusk Till Dawn eingesetzt und ist seitdem einer der Signationsongs der Band. Sowohl Rodriguez als auch der Mitautor des Films, Quentin Tarantino, sind bekennende Blasters-Fans.

Dark Night aus From Dusk Till Dawn
TarantinoFM

Die Band bestand ursprünglich aus dem Brüderpaar Dave und Phil Alvin sowie ein paar Haberern aus Downey. Phil ist bis heute Herz und Hirn der Band. Der hat Mathematik studiert und gelehrt und verfügt über ein enzyklopädisches popmusikalisches Wissen. Diese Besessenheit war es, die die Alvins früh in Clubs trieb, wo sie damals wenig beachtete Blues-Granden von früher live erlebten. Jahrzehnte später sollten die beiden meist verfeindeten Brüder ein fantastisches Big-Bill-Broonzy-Hommage-Album aufnehmen.

Das schwer zu findende Blasters-Debüt fand sich mit viele Songs deckungsgleich auf dem 1981 erschienenen The Blasters wieder. Das wurde von Slash Records verlegt, die Blasters befanden sich damit in Nachbarschaft von Kollegen wie The Gun Club, The Dream Syndicate, den Violent Femmes, Faith No More oder Los Lobos – das war stimmig.

Punk-Energie

Mit den bis heute mit ihnen befreundeten Los Lobos teilten sie sich die Neigung, in die Vergangenheit zu blicken und von dort Musik für die Gegenwart aufzubereiten. Die Energie der Band stand jener des Punk in nichts nach, und Dave Alvin war mit seiner damals sich schon ausdünnenden Tolle so hässlich wie Johnny Rotten und Sid Vicious zusammen. Doch der Mann kann spielen und Songs schreiben.

Von Beginn an mischten die Blasters Coverversionen mit eigenen Songs – Qualitätsunterschiede gibt es keine. 35 Jahre bevor Jack White Little Willie Johns I'm Shakin' coverte, haben es die Blasters bereits einer Frischzellenkur zugeführt. Stellenweise unterstützten zwei Bläser den Sound, einer davon war Lee Allen, der schon bei Fats Domino ins Horn gestoßen hatte.

Ein Klassiker: I'm Shakin'.
holsty

Hard Line hätte 1985 den Durchbruch klarmachen sollen, nachdem sich die Band mit dem Debüt bei Slash, einem Live-Album und der LP Non Fiction eine ergeben Fangemeinde erspielt hatten. Das ging sich leider nicht aus, die sich ohnehin ständig in den (dünnen) Haaren liegenden Brüder zerstritten sich, und Dave schlug eine Solokarriere ein. Schon lange ist er ein Grammy-gewürdigter Vertreter des Americana-Fachs. Ich habe ihn einmal live gesehen, da wirkte er ein wenig bitter, so als fühle er sich massiv geringgeschätzt. Das mag stimmen, seine Songs sind oft fantastisch, doch es war der Gesang seines Bruders, der sie dazu machte.

Kochender Saal

Hard Line mag stellenweise überproduziert sein, und sogar The Jordanaires, Elvis' Background-Singer, kamen zum Einsatz. Und doch hat es Songs, die zeitlos gut sind. Das beseelte Help You Dream, das in Richtung Tex-Mex schießende Hey Girl oder das vibrierende Little Honey.

Einen Burrito, por favor: Hey Girl.
ParBro Productions

An einem Freitag habe ich sie dann '92 in San Francisco erlebt. Die Blasters waren eine Naturgewalt, der Saal mit 600 Besuchern war am Kochen: Es besitzt immer eine verklärte Unschärfe, so etwas zu sagen, aber es war vielleicht eines der besten Konzerte, die ich je gesehen habe. John Bazz am Bass war irre, Bill Bateman am Schlagzeug ein Tier (das später einige Zeitlang auch bei den Cramps getrommelt hat).

7. August 1992 – das Miniposter hab' ich irgendwo in der Stadt damals abmontiert.

Zwar spielt die Band immer wieder mal in Europa, in Ö war sie aber nie zu erleben. Es gibt Youtube-Auftritte aus Deutschland aus den frühen 1980ern, da weiß man nicht, wer hässlicher ist, die Band oder ihr Publikum in der Stone-washed-Montur.

Phil Alvin hat ebenfalls Soloalben veröffentlicht. Unsung Stories versammelt neben ihm Namen wie die Dirty Dozen Brass Band und das Sun Ra Arkestra, während er sich in New Orleans eine fette Margarita zuführt; mit County Fair 2000 führte er das Unterfangen in ähnlicher Weise fort.

Jason Us

In den USA lebt die Band bis heute von ihrer Live-Reputation, zwar hat sie noch einige sehr gute Alben veröffentlicht, doch die Setlist wird zu einem Gutteil mit Songs aus den frühen Alben bestritten. Zum Record Store Day heuer erschien ein Live-Album aus 1986, bei dem der früh verstorbene Blues- und Rock-'n'-Roll-Gitarrist Hollywood Fats Gitarre spielt: ein Traum.

Nahtoderlebnis

In Europa spielen sie meist nur in Spanien, Italien oder oben in Skandinavien. Ein Auftritt in Spanien verlief für Phil Alvin 2012 dramatisch. Ihn befiel eine schwere Atemnot, nur der Kehlkopfschnitt einer beherzten Schwester rettete ihm das Leben. Ihr zu Ehren hat er Marie Marie des Öfteren als Maria Maria dargeboten.

Maria Maria!
KEXP

Das folgt der kulturellen Orientierung der Blasters. Die hatten immer eine Nähe zu den Latinos in ihrer Nachbarschaft – Dave Alvin hat die grenzüberschreitende Sehnsucht der Einwanderer früh in seinem zum klassischen Blasters-Repertoire zählenden Song Border Radio behandelt.

Bis heute tourt die Band regelmäßig quer durchs Homeland. Phil Alvin ist mittlerweile ziemlich alt geworden, aber so ist das Leben. Aber sobald sie anstimmen, weiß jeder im Saal, dass immer noch gilt, was sie auf Hard Line behaupten: Rock And Roll Will Stand. So sei es. (Karl Fluch, 3.9.2019)