Alter, schau wie gut ich aussehe!", jauchzt Esra Özmen, als sie die ersten Fotos auf der Kamera betrachtet. Sie ist beim heutigen Shooting die Rampensau, immer am Posen, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Ihr Outfit trägt sie mit einer Selbstverständlichkeit, so als hätte sie nie etwas anderes an.

Die 28-Jährige bildet zusammen mit ihrem kleinen Bruder Enes das Duo EsRap. Die Rollenverteilung ist dabei unkonventionell: Er singt, sie rappt. Erst im Juni erschien das durchaus politische Debütalbum Tschuschistan, das sowohl der türkischen Diaspora als auch der Arbeiterklasse ein musikalisches Denkmal setzt. In den letzten Jahren stellte sich der Erfolg ein – die Wiener Festwochen auf dem Rathausplatz zu eröffnen, das kann nicht jeder für sich verbuchen. Man merkt, dass für Esra das Rampenlicht immer noch aufregend ist, obwohl sie schon seit 2008 rappt.

Esra (EsRap) in Smokinghemd und Mantel von Dolce & Gabbana, Uhr und Schmuck privat.
Foto: Irina Gavrich

Vor zehn Jahren wäre ein Fotoshooting mit fünf Rapperinnen aus Österreich wohl so nicht möglich gewesen. Gut also, dass sich in jüngerer Zeit sowohl inter national als auch national hinsichtlich der Geschlechterverhältnisse etwas bewegt.

Unterstützung

Heuer schrieb die US-Rapperin Cardi B Geschichte: Als erste Frau gewann sie den Grammy für das beste Rap-Album des Jahres. Auch der Blick auf unsere deutschen Nachbarn lässt hoffen. Erfolgreiche Rapperinnen wie Haiyti, die Coco Chanel des Cloud-Rap, Eunique, die Style-Queen mit dem unwiderstehlichen Flow, die gesellschaftskritische Sookee oder die beiden Alpha-Austeilerinnen von SXTN sind in aller Munde – und in den Charts.

Ganz unterschiedliche Subgenres besetzen und bedienen auch ihre österreichischen Kolleginnen. Vielen scheint es dabei wichtig zu sein, den Hip-Hop-Boysclub aufzuwirbeln. Auch bei unserem Fotoshooting ist die Stimmung aufgekratzt. Die jungen Frauen wissen sich gegenseitig zu schätzen, man kennt und unterstützt einander. Von "Beef", wie man das Rap-Hickhack nennt, ist hier nichts zu spüren.

Dafina (Duffy / Dacid Go8lin) in einem Hosenanzug und Schuhen von Prada.
Foto: Irina Gavrich

Gerade das gegenseitige Unterstützen, Empowerment lautet das Stichwort, war für eine unserer fünf Protagonistinnen, Dafina "Duffy" Sylejmani aka Dacid Go8lin der Hauptgrund, ihre Crew Femme DMC zu gründen. Kann man die berühmten vier Säulen des Hip-Hops – Rap, DJing, Breakdance und Graffiti – auf eine rein weibliche Basis stellen? Die albanische Rapperin und Produzentin, die im Alter von 14 Jahren nach Österreich kam, wollte es wissen. 2015 startete sie eine Partyreihe, die bald zu einer Plattform wurde.

170 Frauen zählen heute zum Umfeld von Femme DMC, das besonders Frauen mit migrantischen Backgrounds und queere Frauen anzieht, ihnen eine Bühne gibt, sie aufbaut. Genau wie Esra Özmen, die an der Akademie der bildenden Künste ihr Diplom (sogar rappend) machte, studierte auch die 1989 geborene Sylej mani zeitweise dort, wobei sie den akademischen Diskurs oft weltfremd und frustrierend fand. Selbst ein Kollektiv auf die Beine zu stellen, das sich mit Lebensrealitäten fern des Elfenbeinturms auseinandersetzt, schien ihrer Idee von Partizipation mehr zu entsprechen.

Yasmin (Yasmo, unten links) im Samtanzug von Dorothee Schumacher, die Boots sind von Rani Bageria. Esra posiert in einer Lederjacke von Salvatore Ferragamo, der Rest des Outfits ist privat.
Foto: Irina Gavrich

Bald nach der Gründungsstunde von Femme DMC stieß auch die Produzentin, DJane und Rapperin Soulcat E-Phife dazu, die hauptberuflich als Flugbegleiterin arbeitet. "Das kannst du ruhig schreiben, Hip-Hop-Künstler sind nicht immer nur Vollzeitgangster", lacht sie. Aufbauen musste man Emily Dominguez, wie Soulcat mit bürgerlichem Namen heißt, nicht. Die 1986 in der Dominikanischen Republik geborene Künstlerin begann bereits mit ihrem Umzug 2010 nach Wien bei Freestyles auf Englisch zu rappen. Eigentlich kommt sie aus dem Jazzgesang und hätte sich früher nie zu träumen gewagt, mit dem Rappen anzufangen.

Doch nach den ersten positiven Erfahrungen ging es ganz schnell. Sie entwickelte über die Jahre ihren geschmeidigen Signature-Sound, der sich an der in den 1990ern populären Boom-Bap-Tradition orientiert. Fragt man Soulcat, ob sie glaubt, Femme DMC habe etwas in der österreichischen Hip-Hop-Szene verändert, sagt sie: "Das glaube ich nicht nur, das weiß ich. Allein schon was es mit meiner eigenen Entwicklung und meiner Bekanntheit gemacht hat. Das wäre sicher mit einem anderen Team auch gegangen, bei dem der Fokus nicht auf Frauen liegt, doch bei Femme DMC will ich zum Beispiel in Form von Workshops auch etwas an diese Gemeinschaft zurückgeben."

Emily (Soulcat E-Phife) in Hemd und High Heels von Versace, die Strumpfhose ist von Wolford, Ring und Ohrringe Juuls Juuls.
Foto: Irina Gavrich

Auch die 1994 geborene Kremserin Kiara Hollatko kommt eigentlich aus dem Jazz, entschied sich im Gegensatz zu Soulcat aber nicht für den goldenen oldschool Sound, sondern für die Musik der Stunde: Trap. Erst 2018 begann sie zu rappen und das gleich auf einem Sublabel von Universal Music. Donna Selvaggia, die wilde Frau, nannte der unter dem Pseudonym Keke rappende Shootingstar seine erste Single. Es scheint, als hätte man auf Keke gewartet: Innerhalb kürzester Zeit spielte sie auf heimischen Festivals wie dem Electric Spring, dem Popfest und sogar dem Donauinselfest, wo sie kurzfristig für Kollegin Ebow einsprang.

Kiara (Keke) trägt ein Kleid von Louis Vuitton.
Foto: Irina Gavrich

Auf Instagram spielt Keke gekonnt mit dem Image des "Tomboy" – sicherlich ein Begriff, den sie als großer Princess-Nokia-Fan bewusst gewählt hat. Die gleichnamige Single der schwer gehypten New Yorkerin mit der Scheiß-drauf-Attitüde war quasi eine Offenbarung für eine junge Generation von Frauen, die sich nicht mehr sagen lassen wollten, wie ihr Körper auszusehen hat. Body-Positivity, aber auch der offene Umgang mit vermeintlichen Schwächen, Angst oder Depression zeichnen Kekes Raps aus.

Yasmin (Yasmo) trägt einen Overall von Jil Sander, Stiefel von Dries Van Noten und Schmuck von Juuls Juuls.
Foto: Irina Gavrich

Und dann wäre da noch Yasmo, die man nicht wirklich vorzustellen braucht. Trotz ihres jungen Alters, Yasmin Hafedh wird im Oktober 29, ist sie vielleicht die Grande Dame der österreichischen Hip-Hop-Szene, gerade was die Spoken-Word-Ecke betrifft. Bereits als Teenager begann sie bei Poetry-Slams aufzutreten, bei den Österreichischen Slam-Meisterschaften 2013 erreichte sie den ersten Platz.

Sie lässt das Fotografiertwerden wie der Profi, der sie ist, über sich ergehen. Wenige Tage nach dem Shooting wird das zehnte Popfest stattfinden, das sie zusammen mit Mira Lu Kovacs kuratiert hat. Yasmo bleibt cool, ein bisschen Stress wirft sie nicht aus der Bahn. Sie hat mit ihrer Klangkantine heuer bereits das Album Prekariat und Karat veröffentlicht, auf dem sie nicht zuletzt Solidarität einfordert.

Emily (Soulcat E-Phife, links) in einem Kleid von Miu Miu, Dafina (Duffy / Dacid Go8lin) in einer Kombination von Hermès.
Foto: Irina Gavrich

Kein Wunder, dass sie beim Popfest auch für Bookings wie Femme DMC, die großartige Salzburger Rapperin Hunney Pimp, die Offenbarung Kerosin95, EsRap und auch Keke mitverantwortlich war. Wenn das so weitergeht, werden Frauen im österreichischen Hip-Hop bald keine Ausnahmeerscheinungen mehr sein. (Amira Ben Saoud, RONDO, 6.9.2019)