Darmstadt – Ein Satellit der Europäischen Raumfahrtagentur (Esa) musste einem Satelliten der Starlink-Konstellation des Raumfahrtunternehmens Space X ausweichen, um eine mögliche Kollision zu verhindern. Laut Esa war es das erste Mal, dass ein Satellit der Agentur einen Satelliten einer solchen Großkonstellation umsteuern musste. Mit diesem Begriff werden Verbünde von zum Teil vielen Tausend Satelliten bezeichnet. Mehrere Unternehmen – darunter Space X – versuchen aktuell, solche Konstellationen aufzubauen.

SpaceX bezeichnete danach mangelhafte Software als Ursache des Zwischenfalls. Ein Fehler in seinem Benachrichtigungssystem habe dazu geführt, dass ein Mitarbeiter nicht gesehen habe, dass die US-Luftwaffe die Wahrscheinlichkeit einer Kollision beider Satelliten hochgestuft hatte. "Hätte der Starlink-Mitarbeiter die Korrespondenz gesehen, hätten wir uns mit der ESA abgestimmt, um den besten Lösungsansatz zu ermitteln (...)", teilte das Unternehmen mit. SpaceX werde das Problem untersuchen und beheben.

Der Erdforschungssatellit Aeolus war Montagfrüh gezwungen, seine Triebwerke für das Ausweichmanöver zu zünden, teilte die Esa auf Twitter mit. Experten berechneten zuvor das Kollisionsrisiko und entschieden anschließend, Aeolus etwas weiter von der Erde wegzubewegen, um den Space-X-Satelliten zu überfliegen. Laut Esa lag die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision bei etwa 1 zu 1.000.

Erfolgreiche Koordination im nahen Weltraum

Dieser Maßnahme ging ein gemeinsamer Entscheidungsprozess zwischen Esa und Space X voraus. Zusammen wurde schließlich beschlossen, dass Aeolus ausweicht. Die Absprache sei wichtig, sagte Holger Krag, der Leiter des Esa-Büros für Raumfahrtrückstände. Ansonsten könnte es im schlimmsten Fall sein, dass beide Satelliten in die gleiche Richtung steuern. Die Absprache mit Space X funktionierte laut dem Experten gut. Das sei nicht immer so: "Es gibt Satellitenbetreiber, die reagieren gar nicht, wenn man sie anschreibt."

Der Erdforschungssatellit Aeolus und ein Satellit des Starlink-Systems von Space X kamen einander bedenklich nahe.
Grafik: ESA

Es ist nicht das erste Mal, dass Space X mit Starlink für Kritik sorgte. Wissenschafter hatten das Projekt von Beginn an für problematisch gehalten, weil es mit seinem im Endausbau Zehntausende Satelliten umfassenden System astronomische Beobachtungen erschweren könnte. Außerdem hat Space X die Kontrolle über drei seiner bisher gestarteten Starlink-Satelliten verloren.

Fehlende Vorfahrtsregeln im Orbit

Im Weltall gebe es bisher keine Vorfahrtsregeln, erläuterte Holger Krag. Rund 90 Prozent der potenziell gefährlichen Begegnungen passierten mit inaktiven Weltraumrückständen – da sei klar, dass der aktive Satellit ausweichen muss. Bei Begegnungen zwischen zwei aktiven Satelliten müssen die Betreiber von Fall zu Fall entscheiden, was passiert. Die Esa fordert Regeln und treibt eine Automatisierung des Prozesses voran. Denn durch die steigende Zahl von Satelliten werde es in Zukunft auch mehr Ausweichmanöver brauchen.

Aeolus misst mittels Laser die Winde rund um die Erde. Der Satellit umkreist den Planeten in rund 300 Kilometern Höhe und ist seit etwas mehr als einem Jahr im All. Das Projekt Starlink von Space X könnte in den kommenden Jahren aus bis zu 12.000 Satelliten bestehen. Das erdumspannende Netz soll künftig auch entlegene Erdregionen mit schnellem Internet versorgen. (red, APA, 4.9.2019)