Die Wiener Band Wanda um den Sänger Marco Wanda (Mitte) und den Gitarristen Manuel Poppe (rechts): "Es ist eines der schönsten Leben, die man haben kann."

Foto: Alexander Bachmayer

Nach der Gründung 2012 in Wien kam bereits zwei Jahre später mit dem Debüt Amore und der Single Bologna der Durchbruch. Das Quintett Wanda spielt längst in den großen Hallen oder als Headliner vor 100.000 Menschen auf dem Donauinselfest. Jetzt erscheint das vierte Album mit dem Titel Ciao!. Es dürfte wieder auf Erfolgskurs segeln. Die nach wie vor einfachen, griffig-austrorockigen und mitsingbaren Ohrwürmer wurden dieses Mal um Harmonien aus der Beatles- und Psychedelia-Bibliothek der Swinging Sixties erweitert.

STANDARD: Viele Songs auf "Ciao!" handeln offensichtlich von Trennungen.

Marco Wanda: Scheidungstexte! Der Schreibprozess nimmt mich immer extrem mit. Ich habe aber weder die Deutungshoheit über meine Texte, noch bin ich beim Schreiben recht bei Sinnen. Neben der Liebe ist das Schreiben einer meiner wenigen Lebensbereiche, die ins Spirituelle greifen. Insofern tue ich mir schwer, meine Texte zu interpretieren. Wenn ich etwas erkläre oder deute, passiert gleichzeitig eine Enteignung dem Publikum gegenüber. Das hat ja auch ein Recht auf eine eigene Deutung.

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STANDARD: Kann man von Rollenlyrik sprechen?

Marco Wanda: Thomas Bernhard hat den Begriff Rollenprosa geprägt, ein dankbarer Begriff. Ein Text beinhaltet immer etwas Persönliches, die Spuren sind aber kompliziert zurückzuverfolgen.

STANDARD: Wanda sind Meister der Verknappung. Muss man sich das als harte Arbeit vorstellen, oder kommt das aus einem natürlichen Fluss heraus?

Marco Wanda: Das muss man wollen. Ein Rapper würde das nicht wollen, der möchte möglichst viel sagen. Wobei, das hat sich ja auch geändert. Yung Hurn arbeitet auch sehr reduziert und destilliert. Ich wurde teilweise auch durch mein Sprachkunststudium geprägt. Mir hat der Robert Schindel immer gesagt: Eine Wiese ist nicht taufrisch und glänzt in der Sonne oder liegt im Morgennebel, sondern sie ist eine Wiese. Dieser Ansatz hat mich begeistert. Wenn man etwas weglässt, hat der Hörer mehr Platz. Ich will ja niemanden vollschwafeln.

STANDARD: Wie entstehen die Texte? Geschieht das parallel zur Musik, oder werden sie über fertige Songs drübergestülpt?

Marco Wanda: Ich erfantasiere mir die Texte zur Melodie, dem ein teilweise sehr fruchtbarer, teilweise sehr langer Prozess im Aufnahmestudio folgt. Ins Studio geht man am besten wie in ein Fußballspiel. Man hat eine gute Taktik, nur darf man sich nicht immer an diese halten.

STANDARD: Wanda singen im Wesentlichen depressive Texte und konterkarieren das mit euphorischer Musik. Wird diese niederschmetternde Enthusiasmuserzeugung überall verstanden? In Deutschland singen sie: "Ich habe Angst vor dem Sterben", Wanda wünschen sich dagegen den "schnellen Tod".

Marco Wanda: Vielleicht besitzt das Ganze so eine Qualität von Verliererromantik. Erstaunlicherweise kennen ganz viele Menschen dieses Gefühl des Verlierens. Leider. In Deutschland wird das natürlich als etwas Morbides interpretiert. Die Musik aber ist immer das Momentum des Triumphs. Ganz aufgeben tut sich der Erzähler in den Liedern aber eh nie. Es muss ja weitergehen. Das Scheitern sehe ich gar nicht. Darin haben sich viele Menschen wiedergefunden. Wenn man die Texte ohne Musik liest ... Ob es einem da so gutgeht, weiß ich allerdings nicht. Die Musik bringt die Helligkeit.

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STANDARD: Kann man von glorreichem Scheitern sprechen?

Marco Wanda: Lebensfreude und Leidenschaft, das ist es, was die Leute bei uns spüren. Ich bin mir nicht sicher, ob Scheitern das bestimmende Idiom bei dieser Band ist. Ich glaube nicht. Unsere Konzerte sehe ich als Fest.

STANDARD: Was hat sich nach dem unglaublich rasanten Aufstieg von Wanda aus kleinen Clubs wie dem Rhiz am Gürtel in die Wiener Stadthalle für euch geändert?

Manuel Poppe: Für einmal Stadthalle müssten wir siebzigmal das Rhiz ausverkaufen. Schwierig.

STANDARD: Je größer die Hallen, desto seltener werden die Konzerte und länger die Anlaufzeiten, um wieder vor Publikum zu spielen. Abgesehen von den besseren Hotelzimmern, ist das nicht auch belastend für eine deklarierte Liveband wie Wanda?

Marco Wanda: Damit haben wir umzugehen gelernt. Wir sind auch dankbar, dass sich die Konzertfrequenz beruhigt hat. Die Jahre 2016/17 waren schon auch schwierig. Wenn man in einem Rad der Überreizung rotiert, kommt man schwindelig raus. Das ganze Ding hat jetzt weit weniger Schattenseiten, als es schon einmal hatte. Jetzt kann ich die Vorfreude auf ein Konzert wie im Tantra zirkulieren lassen, bevor es sich orgiastisch entlädt, haha.

Manuel Poppe: Wir nehmen es ja auch mit großer Demut, dass das Publikum nach wie vor unsere Einladung so dankbar annimmt. Es ist eines der schönsten Leben, die man haben kann.

STANDARD: Seht ihr euch privat noch, oder geht man auf Distanz?

Marco Wanda: Wer Ruhe will, kann sie immer haben. Aber wir sind schon ein Rudel Wölfe, das sich ab und zu riechen muss. Die Freundschaft hält uns am Leben. Mit irgendwelchen Söldnern durch die Lande zu ziehen würde schiefgehen – und zwar ganz gewaltig.

STANDARD: Musik wird immer weniger über physische Tonträger gekauft. Wie sieht diesbezüglich euer Geschäftsmodell aus? Raf Camora bewirbt gerade eigenen Wodka.

Marco Wanda: Wir verkaufen derzeit Wanda-Handtücher. Vor einigen Jahren hat uns die Oma von irgendjemandem eine Kiste Schnaps geschenkt. Mit dem "Bussi-Schnaps" haben wir damals Journalisten bestochen. Ich muss allerdings gestehen, das meiste haben wir selbst gesoffen. (Christian Schachinger, 4.9.2019)