"Es ist mein Leben, ...

Foto: APA/ROBERT JAEGER

... meine Entscheidung, ...

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... , jeder Mensch soll das akzeptieren."

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Saalfelden am Steinernen Meer ist schon ganz anders als Schanghai, zum Beispiel deutlich kleiner. Das österreichische Fußballnationalteam bereitet sich hier auf die nahenden EM-Qualifikationsspiele vor, am Freitag kommt Lettland nach Salzburg, am Montag steht der Besuch in Warschau an, Tabellenführer Polen empfängt. Schanghai wäre ein absolut doofer Ort für ein Trainingslager gewesen, viel zu weit weg, Jetlag, zu heiß, zu teuer. Teamchef Franco Foda ist ja nicht gegen eine Traverse gelaufen.

Mittendrin statt nur dabei in Saalfelden ist natürlich Marko Arnautovic, der 30-jährige Wahlchinese. Anfang Juli ist er von West Ham United in die Super Liga gewechselt. Sein vom Portugiesen Vitor Pereira trainierter Klub heißt Schanghai SIPG, liegt auf Platz drei. Die Ablöse für Arnautovic soll rund 25 Millionen Euro betragen haben, bis Ende 2023 hat er sich gebunden. Sein Wochenverdienst wird auf läppische 220.000 Euro geschätzt, da könnte einen glatt der Neid fressen, was wiederum Arnautovic völlig wurscht ist. "Es ist mein Leben, meine Entscheidung, jeder Mensch soll das akzeptieren."

Nächtelang hat er mit seiner Frau, seinem Bruder (Manager), seinen Eltern diskutiert, die beiden Töchter sind noch zu klein für Grundsätzliches. "Wir wollten etwas anderes von der Welt, etwas anderes als Europa sehen. Ich möchte viel im Leben aufsaugen. Das war immer mein Plan. Okay, das Geld ist sicher überragend." Arnautovic ist bereits mehrmals chinesisch essen gewesen, die Familie residiert in einer geräumigen Wohnung im Zentrum, ein Fußballfeld ist aber schon noch weitläufiger. Neben Arnautovic hat Schanghai auch den allergrößten Hafen zu bieten. Die Einwohnerzahl wird mit 26 Millionen angegeben, wie viele davon Arnautovic aus Wien kennen, konnte bis Redaktionsschluss der Weihnachtsausgabe nicht geklärt werden. Er hat sich im Prinzip eingelebt. Okay, das Wetter sei schon extrem, gefühlte 45 Grad, 97 Prozent Luftfeuchtigkeit, der Schweiß rinnt permanent in die Fußballschuhe. "Ab ich halte das aus."

Heimschläfer

Er ist ohne große Vorbereitung aus England gekommen, wurde quasi ins heiße Wasser geschmissen. In acht Pflichtpartien hat er vier Tore erzielt. "Ich bin eben ein Monster." Der Verein, der ihn unbedingt wollte, hat ihm einen Privatbetreuer zur Verfügung gestellt, sozusagen einen Buben für alles. Der war Lehrer, spricht englisch, chauffiert Arnautovic durch die Gegend, zum und vom Training, hilft im Alltag. Der Kümmerer schläft aber schon daheim, es gibt auch in China Grenzen. Das Leben eines Fußballprofis sei, sagt Arnautovic, überall gleich. "Aufstehen, Training, Match, heimfahren, schlafen." Das Niveau sei sehr ordentlich, mit dem in der englischen Premiere League aber selbstverständlich nicht zu vergleichen. "Man hat viel mehr Räume, den Legionären wird großer Respekt entgegengebracht. Es wird gut und schnell kombiniert."

Viele Lichter

Die Brasilianer Hulk und Oscar sind seine Mitspieler, kultige, nette Typen. "Sie könnten auch in Europa noch locker mithalten." Zu den Heimpartien kommen rund 25.000 Zuschauer, das Stadion darf aus Sicherheitsgründen nur zur Hälfte gefüllt werden. Die Fans sind nett distanziert. "Auf der Straße sind sie direkt, sie schubsen dich an, drücken dir das Smartphone in die Hand." Schanghai ist übrigens gar nicht so laut, so hektisch, wie es der gemeine Ahnungslose beschreibt. "Viele Lichter, viele Shows, sehr hell. Das habt ihr noch nie gesehen in eurem Leben."

Saalfelden ist mit seinen 16.000 Bewohnern trotzdem leiser und in der Nacht finsterer. Es sei denn, das Jazzfestival findet gerade statt. Arnautovic sitzt Dienstagmittag entspannt im Congress Zentrum am Stadtplatz. Man könnte ihn noch fragen, ob sie in China Malko statt Marko, Alnautovic statt Arnautovic sagen. Aber das wäre zu deppert, nahezu würdelos. Er parliert ein bisserl über Gegner Lettland, er kennt ihn eigentlich nicht. Foda wird rechtzeitig für das nötige Wissen sorgen. "Wir werden sie sicher nicht unterschätzen."

Arnautovic ist überzeugt, sein fußballerisches Niveau halten zu können, seine Qualitäten nicht zu verlieren. In 81 Länderspielen hat er 24 Mal genetzt. Das Ende der Teamkarriere ist nicht in Sicht. "Daran denke ich überhaupt nicht, das ist keine Überlegung, ich bin ein wichtiger Bestandteil, der Jetlag ist mir wurscht." Und er wird im beschaulichen, 8700 Kilometer Luftlinie vom monströsen Schanghai entfernten Saalfelden philosophisch. "Es ist schwierig, mir den Ball wegzunehmen. Auf dem Spielfeld. Und auch im Leben." (Christian Hackl, 3.9.2019)