Jenseits der Unwägbarkeiten der britischen Innenpolitik bereitet sich die EU-Kommission bereits sehr konkret auf ein Szenario vor, in dem das Vereinigte Königreich am 31. Oktober, Mitternacht, aus der EU austritt. Die Mitgliedschaft in der Union wandelt sich dann über Nacht in ein unklares Nebeneinander der EU-27 mit einem Drittstaat auf WTO-Basis.

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Der für Haushalt zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger sorgt sich um 2020.
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In Brüssel rechnet man daher auch damit, dass die Regierung in London sofort die Zahlung der EU-Beiträge ins Budget einstellen könnte, wie Premierminister Boris Johnson das angedroht hat. Das würde bedeuten, dass sich im EU-Budget bereits 2019 eine Lücke von einigen Milliarden Euro auftut. Der für Haushalt zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger sagte dem STANDARD, die Bedeckung für den Rest des Jahres werde aber kein Problem sein. Seine Behörde könne den Betrag überbrücken. Anders ist das freilich beim Budget 2020, über das gerade die Verhandlungen anlaufen. Bis November sollte es eigentlich unter Dach und Fach sein.

Ob das bei den zu erwartenden Tur bulenzen um einen No-Deal-Brexit in nur acht Wochen klappt, ist mehr als ungewiss. Oettinger bestätigte, dass die verbleibenden 27 EU-Staaten im Budget 2020 durch den Brexit mit einer Lücke von elf Milliarden Euro rechnen müssen. Die Briten sind wegen ihrer wirtschaftlichen Stärke ein großer Nettozahler.

Keine Schulden machen

Der Haushaltskommissar betonte, dass die Union gemäß den Gemeinschaftsverträgen keine Schulden machen dürfe – anders als die National staaten. Er will den Vorschlag machen, die Ausfälle durch die Briten zur Hälfte durch Einsparungen, zur anderen Hälfte durch erhöhte Beitragszahlungen wettzumachen. Das bedeutet, dass die EU-27 etwa 5,5 Milliarden Euro mehr aufbringen müssen, ohne daraus einen Nutzen zu ziehen. Auf Österreich kommen zusätzliche Beiträge von rund 300 Millionen Euro zu, wobei sich die Kosten-Nutzen-Bilanz für die Nettozahlerländer (wie Österreich) aufgrund von Einsparungen naturgemäß noch mehr verschlechtert. (Thomas Mayer, 3.9.2019)

Am Mittwoch wird die Kommission jedenfalls ihre sechste Mitteilung zum No-Deal-Brexit am 31. Oktober herausbringen, mit Anweisungen, wie die Wirtschaft und die betroffenen EU-Bürger mit der ungewissen Lage umgehen sollen. Damit die negativen Folgen finanziell besser gestemmt werden können, soll auch der EU-Katas trophenfonds herangezogen werden können, ebenso der Globalisierungsfonds.

Vor allem die Republik Irland muss mit schweren Einbußen rechnen und wird Milliardenzahlungen aus Brüssel brauchen, sollte es sofort Grenzkontrollen zu Nordirland geben und die Durchfuhr von Gütern durch das britische Festland durch den Wegfall des Binnenmarktes schwierig werden. Vorschläge zu "alternativen Maßnahmen" zum Backstop für Irland hat Johnson bisher keine vorgelegt. (Thomas Mayer, 3.9.2019)