Mit dem Auto zum Einkaufen – so schaut der Alltag vieler Menschen aus. Insgesamt sind die heimischen Verkaufsflächen in etwa so groß wie Floridsdorf.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Hey! Steyr – was wie eine Durchhalteparole für einen Ruderklub klingt, ist schlicht ein Einkaufszentrum. 20.000 Menschen sollen gekommen sein, als es im April am ehemaligen Kasernengelände in der schmucken gleichnamigen Stadt in Oberösterreich eröffnet wurde. Auf 12.500 Quadratmetern findet das Konsumentenherz seither, was es begehrt.

Anders als viele andere Konsumtempel wie Einkaufs- oder Fachmarktzentren ist es nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit den Öffis erreichbar. Ausreichend Parkplätze gibt es natürlich aber auch. Man kennt seine Pappenheimer. Der fährt zum Einkaufen nun einmal gerne mit dem Auto, in vielen Fällen auch, weil es gar nicht anders geht.

Die aufgeblasenen Ränder

Fast die Hälfte der heimischen Shoppingflächen liegen irgendwo an der Peripherie, weniger als ein Viertel im innerstädtischen Bereich. Die Parksituation ist vor allem an den Rändern enorm wichtig. Am liebsten hat es der Konsument, wenn er rechtzeitig abschätzen kann, ob er Bierkiste, Blumenerde oder was sonst noch auf der Einkaufsliste steht, weit schleppen muss.

In Steyr schnitten das rote Band anlässlich der Eröffnung ein roter Bürgermeister und sein blauer Vize durch. Nach zehn Jahren Behördenverfahren und vielen Diskussionen – mit der eingesessenen Kaufmannschaft, die ihren Niedergang befürchtet, wie mit kritischen Bürgern. Im niederösterreichischen Zwettl ist man da mit seinem geplanten innerstädtischen Kampcenter (10.000 Quadratmeter) noch nicht so weit. Diskutiert wurde auch im Waldviertel so heftig, dass es über die Jahre immer wieder einmal so ausgesehen hat, als setzten sich die Gegner durch.

Verkehrsbelastung versus Arbeitsplätze

In Lustenau in Vorarlberg war dies der Fall. So heftig war der Widerstand gegen die geplante Ansiedlung des Möbelriesen Ikea, dass die Schweden von ihren Plänen Abstand nahmen. Die Gegner hatten vor allem eine Verschärfung der Verkehrssituation befürchtet. Der von ÖVP-Bürgermeister Kurt Fischer in Aussicht gestellte Nutzen – Arbeitsplätze und Steuereinnahmen – hat sie nicht umgestimmt.

Die Boomphase, was neue Einkaufszentren und Shoppingmalls betrifft, ist aber auch hierzulande vorbei. Die Jahre zwischen 2000 und 2007 haben den Österreichern allerdings viel Beton beschert: Vier Millionen Quadratmeter an Shoppingfläche inklusive 180.000 Parkplätzen hat Österreich heute, doppelt so viel wie vor zwei Jahrzehnten. Europaweit liegt man damit im Spitzenfeld. Doch der Handel verspürt die Abwanderung der kaufwilligen Kunden ins Internet. Die Goldgräberstimmung, die noch vor zehn Jahren herrschte, ist vorbei. Das letzte große Einkaufszentrum wurde mit dem G3 in Gerasdorf 2012 eröffnet. Es erstreckt sich über 70.000 Quadratmeter.

Erweitern statt neu bauen

Heute drehen die Projektentwickler jeden Cent um, sagt Roman Schwarzenecker vom Standortberater Standort+Markt: "Gebaut wird, wenn im Vorhinein 70 Prozent der Fläche vermietet sind." Investiert werde eher in Erweiterung. Abhängig auch vom Bundesland. Die Landesregierungen müssen bekanntlich als Aufsichtsbehörde den Flächenwidmungsplänen der Bürgermeister zustimmen.

Nicht überall legen sie dabei die gleichen Maßstäbe in der Beurteilung an. In Salzburg haben die Grünen den Ausbau des Europarks verhindert. Im Burgenland orten sie die Unsitte, dass Supermärkte einfach "weiterziehen", ganz in der Nähe neu bauen und das alte Objekt verfallen lassen. Wer suchet, der findet wohl noch so einige Problemzonen. Kleine Einkaufszentren, die ganz offensichtlich bessere Tage gesehen haben und dem Sterben näher sind als dem Leben, Ruinen, die der Nachnutzung oder des Abbruchs harren.

Schärfere Gesetze

Auf die grüne Wiese darf heute aber bundesweit nicht mehr so einfach gebaut werden, wie in der Vergangenheit. Die Raumordnungsgesetze wurden zunehmend verschärft. Standortberater Schwarzenecker sagt, in Salzburg wirke das Erbe der Grünen nach. Dort werde Österreich weit am penibelsten auf die Umsetzung des juristischen Regelwerks geachtet. Doch auch hier orten Fachleute noch viel Handlungsbedarf. Die Raumplanung müsse klimafreundlicher und ressourcenschonender werden – so lassen sich die Vorschläge der oberösterreichischen Ziviltechniker zusammenfassen, die am Dienstag präsentiert worden sind.

In Oberösterreich würden täglich rund 2,5 Hektar – etwa das Doppelte des Linzer Hauptplatzes – verbraucht, rechnete etwa Kammervorstand Ulrich Aspetzberger vor. Dem stünden 6.000 Hektar an Leerständen und Brachen gegenüber, die man für Neubauten nutzen könnte. Die vorgeschriebenen Parkplatzflächen seien ein weiterer "gesetzlich verordneter Flächenfraß". Oberösterreich habe europaweit die höchste Supermarktfläche pro Kopf, und das Straßennetz sei doppelt so dicht wie in Deutschland, gemessen an der Einwohnerzahl.

Raumplanung

"Die Raumplanung nach rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten hat zur Verlagerung der Geschäftszentren an den Ortsrand geführt", so Rudolf Wernly, Präsident der Ziviltechnikerkammer für Oberösterreich und Salzburg. Und: Der allseits verbreitete Wunsch nach einem Einfamilienhaus und Begehrlichkeiten der Wirtschaft würden gepaart mit dem Horten von Bauland zu einem immer größeren Verbrauch an Flächen führen. Das Land solle für den Erhalt bzw. die Schaffung von unverbaubaren Grünräumen rund um die Ballungsgebiete sorgen fordern die Ziviltechniker. Als Erfolgsmodell sehen sie etwa den Grüngürtel rund um Linz.

Die Raumplanerin und Soziologin Gerlind Weber hält das Häuschen im Grünen für das viel größere Problem als die Shoppingflächen. Alles in allem sei über die vergangenen 50 Jahre "ein Teil des Wohlstands in Beton und Bitumen geflossen". Eine Wohlstandsindikator einerseits, eine Bürde, die man den Jungen aufgehalst habe andererseits. Dass es nach dem ersten Anlauf für ein Bundesraumordnungsgesetz vor dreißig Jahren ein solches heute noch nicht gibt, wundert Weber nicht: "Der Bund pfeift auf diese Kompetenz, weil er weiß, das schafft nur Probleme." Eines sei etwa der Leerstand, findet auch sie: "Die Kompetenz der Raumordnung ist da zu eng. Sie müsste mehr in Bestandsverhältnisse eingreifen dürfen." (Regina Bruckner, 4.9.2019)