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Jeffrey Epsteins Kontakte in die Wissenschaftswelt haben Nachwirkungen an einigen US-Elite-Unis.
Foto: AP

Es ist schon wieder fast vier Wochen her, dass sich der Multimillionär Jeffrey Epstein in einem Gefängnis in New York City das Leben nahm. Klar scheint an der ganzen Affäre vorläufig nur, dass sie mit dem Tod ihres Protagonisten, gegen den zumindest drei strafrechtliche Verfahren angestrengt worden waren, noch lange nicht ausgestanden ist und wohl noch einige kleinere und größere Nachbeben folgen werden.

All das betrifft nicht zuletzt auch Epsteins enge Beziehungen zu etlichen Spitzenforschern an Top-Universitäten insbesondere in den USA, über die der STANDARD bereits einmal ausführlicher berichtete.

Epsteins Millionen und ihr Ursprung

Mittlerweile ist klar, dass Epstein tatsächlich ein reicher Mann war, als er starb. Zwei Tage vor seinem Suizid ließ er ein Testament aufsetzen, in dem er zum einen sein Vermögen detailliert aufschlüsselte: 577 Millionen Dollar, davon 57 Millionen in bar. Zum anderen überführte Epstein das Geld und die Aktien in einen Treuhandfonds, was es seinen mutmaßlichen Opfern – zuletzt war von über 100 missbrauchten Frauen die Rede – erheblich erschwert, Schadenersatz zu fordern. Die Aktion war Epsteins letzter Trick.

Wie er zu dem Geld gekommen war, ist weiterhin nicht ganz klar: Der "Spiegel" berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über Steven Hoffenberg, der den ehemaligen Mathematiklehrer und Investmentbanker Epstein 1987 als Berater für 25.000 Dollar im Monat anstellte. Hoffenberg wurde 1995 zu 20 Jahren Haft und einer Rückzahlung von mehr als 460 Millionen Dollar verurteilt. Ihm zufolge war Epstein, der damals schon Zugang zu etlichen Superreichen wie Leslie Wexner oder Leon Black hatte, der Kopf hinter dem Betrug – ohne dafür je belangt worden zu sein. Der Trick, für den Hoffenberg zu büßen hatte: Vermeintliche Gewinne von Investoren wurden von den Einlagen immer neuer Investoren bezahlt.

Ein seltsamer Wissenschaftsblog

Etwas klarer wurde in den letzten Tagen und Wochen auch, über welche Personen Epstein seine erstaunlichen Kontakte in die Wissenschaftswelt knüpfen konnte und wer seine wichtigsten wissenschaftlichen Bezugspersonen waren. Der "Chronicle of Higher Education" hat dieser Tage den alten Wissenschaftsblog jeffreyepsteinscience.com ausgegraben und analysiert, der im Netz nur archiviert auffindbar ist. Und die Texte, in denen Epstein nach Absitzen seiner Strafe 2008 einige Forscher und ihre Arbeiten anpreist, sind – wie nicht anders zu erwarten – einigermaßen seltsam.

Epsteins intellektueller Ermöglicher

Hinsichtlich seiner beeindruckenden Kontakte hat laut dem Publizisten und Internetexperten Evgeny Morozov der Literaturagent John Brockman eine entscheidende Rolle gespielt, der selbst eine schillernde und nicht völlig unumstrittene Mittlerfigur zwischen der Welt der großen Verlage und der großen Denker ist. Brockman sei, so behauptet Morozov in einem Essay in "The New Republic", der intellektuelle "Türöffner" beziehungsweise "Ermöglicher" für Epstein gewesen.

Brockman ist seit den 1970er-Jahren spezialisiert auf die Förderung und Vermarktung von prominenten Wissenschaftern, die ihre Arbeit für ein großes Publikum darstellen wollen, und prägte dafür den Begriff der "Dritten Kultur". Neben seiner Agentur gründete er auch noch die Edge Foundation als eine Art Plattform für die von ihm vertretenen Fachgrößen wie Steven Pinker, Daniel Dennett, Murray Gell-Mann oder die MIT-Forscher Marvin Minsky und Joi Ito, Leiter des renommierten Media Lab am MIT.

Forscher unter Rechtfertigungsdruck

Epstein bedachte die Edge Foundation zwischen 1998 und 2008 laut einem Bericht im Magazin "Wired" mit gut einer halben Million Dollar und erkaufte sich wohl auch auf diese Weise Zugang zu Brockmans elitärem Wissenschafterzirkel. Und Brockman war auch eine jener Personen, die noch 2013 – natürlich alles lange vor #MeToo – Verständnis für Epstein und dessen "Umgang" mit jungen Mädchen aufbrachten, wie Morozov in seinem Artikel anhand einiger fragwürdiger E-Mails von Brockman belegt.

Ein nicht gerade kleiner Teil dieser Forscher muss sich nun dafür rechtfertigen, auch mit Epstein mehr oder weniger engen Kontakt gehabt und zum Teil sogar relativ hohe Unterstützung bekommen zu haben – nicht wenige davon auch noch nach Epsteins skandalös milder Verurteilung 2008 als Sexualstraftäter. Einer der Spendenempfänger war etwa der Evolutionsbiologe Robert Trivers, der bis 2017 an der Rutgers University tätig war. Trivers erhielt von Epstein 40.000 Dollar und verteidigte seinen Wohltäter im Jahr 2015 gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters damit, dass Mädchen heute früher erwachsen würden als früher.

Turbulenzen am Media Lab des MIT

Zu den Forschungseinrichtungen, die nach Epsteins Verurteilung Spendengelder annahmen, zählte auch das MIT – und da insbesondere das Media Lab. Und das hat nun gröbere Folgen, wie etwa auch die "New York Times" berichtete.

Konkret hatte Media-Lab-Chef Joi Ito nach Epsteins Tod eingestanden, dass er Epstein 2013 getroffen und ihn danach in sein Labor eingeladen hatte. Außerdem habe er mehrere seiner Residenzen besucht und Geld von seinen Stiftungen angenommen. Ito bekannte in der Zwischenzeit öffentlich sein Fehlverhalten ein, übernahm in einem offenen Brief die volle Verantwortung für seine Fehleinschätzung und entschuldigte sich bei Epsteins Opfern, aber auch beim Media Lab und der MIT-Community dafür, Epstein ans MIT gebracht zu haben.

Ethan Zuckerman, einem prominenten und politisch engagierten Professor am Media Lab, war das in einer ersten Reaktion nicht genug. Der Direktor des Center for Civic Media, der dem STANDARD schon das eine oder andere Interview gegeben hat, gab bekannt, dass er wegen der Beziehungen des Media Lab zu Epstein dieses verlassen möchte, um zumindest an einem anderen Department des MIT weiterzuarbeiten. Eventuell wolle er seine Uni ganz verlassen.

Zurückzahlen oder nicht?

An der Spitze des MIT hat man jedenfalls mit einiger Konsequenz reagiert: Rafael Reif, Präsident der Eliteschmiede, hat schon einmal angekündigt, jene 800.000 Dollar zurückzahlen zu wollen, die Epstein der Elite-Uni in den vergangenen 20 Jahren hatte zukommen lassen. Das berichtete unter anderen auch das Magazin "Wired", das in seinen Anfangsjahren in einem engen Naheverhältnis zum MIT Media Lab und dessen Gründer Nicholas Negroponte stand.

Der Text in "Wired" beginnt übrigens mit dem Satz "Give the money back", der in erster Linie an die Harvard University gerichtet ist. Die Nachbaruni des MIT – konkret das dortige, von Martin Nowak geleitete Programm für Evolutionäre Dynamik – hatte bereits 2002 mit 6,5 Millionen Dollar die mit Abstand größte Spende Epsteins erhalten. Und in Harvard weigert man sich – im Gegensatz zum MIT und anderen Institutionen – nach wie vor, dieses Geld zu refundieren. (Klaus Taschwer, 4.9.2019)