Die Freiheit der Wissenschaft ist die Basis für eine breite Diskussion über Trends und deren Auswirkungen.

Foto: imago/ZUMA Press/Emmanuele Contini

Wenn Christiane Druml von fragwürdigen, wissenschaftlichen Praktiken in anderen Teilen der Welt spricht, dann geht es ihr vor allem um eines: über die Freiheit der Wissenschaft zu diskutieren. Dürfen japanische Forscher einfach so verkünden, dass sie ab sofort Mensch-Tier-Chimären zulassen, um menschliche Organe zu züchten? Wird die globale Wissenschaft dadurch bedroht? Und wo liegen die Grenzen zwischen den moralischen Vorstellungen Einzelner und rechtlicher Rahmenbedingungen? "Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei" – seit 1848 ist diese Forschungsfreiheit ein Grundrecht, seit 1920 ist sie auch im österreichischen Bundesverfassungsgesetz verankert. Doch das heiße noch lange nicht, dass alles, was machbar ist, auch gemacht werden muss, sagt Druml.

Auch Forscher und Forscherinnen müssen sich an klare Regeln halten. Die österreichische Bioethikkommission, der Druml vorsitzt, sorgt für Bewertungen im Einzelfall, in dem sie sich auf rechtliche Grundlagen wie etwa das Tierschutzgesetz beruft. In manchen Fällen kollidiert die Forschungsfreiheit dabei auch mit anderen Grundrechten. Diese können sie eingrenzen, einzelne Meinungen bezüglich falsch und richtig jedoch nicht.

Persönliche Freiheit

Obwohl es ausschließlich aus Rechtswissenschaftern besteht, fehlt es dem Podium des Workshops "Wie viel Freiheit braucht eine Gesellschaft?" im Rahmen der von Ö1 und Austrian Institute of Technology AIT veranstalteten Technologiegespräche Alpbach nicht an Perspektiven. Neben der Freiheit spielt hier auch die Sicherheit eine Rolle. Persönliche Freiheit und allgemeine Sicherheit stehen sich oftmals widersprüchlich gegenüber, illustriert etwa Iris Eisenberger, Professorin im Bereich Innovations- und Technologierecht an der Universität für Bodenkultur Wien, an mehreren Beispielen.

So hilft etwa künstliche Intelligenz bei juristischen Urteilen, ob eine Person entlassen werden solle oder nicht. Eingesetzt werden dabei Daten und vergangene Verhaltensmuster der Betroffenen. Allerdings wenden Kritiker ein, dass bei dieser Risikobewertung auch rassistische Vorurteile aufrechterhalten werden.

Auch das Arbeitsmarktservice AMS setzt auf Computerprogramme, um die Chance auf einen zukünftigen Arbeitsplatz zu bestimmen. Einzelnen Bewerbern wird dabei automatisch eine Bewertung zugeschrieben. Männer bekommen eine höhere Punktezahl, Herkunft kann sich negativ auswirken. Eine schlechtere Punktezahl muss aber nicht unbedingt Diskriminierung, kann auch höhere Förderung bedeuten.

Beim Einsatz künstlicher Intelligenz werde häufig übersehen, dass Recht eine kulturelle Errungenschaft mit Freiheitsfunktion ist, so Eisenberger. Mit dieser Freiheit würden wir beim unregulierten Einsatz dieser Technologien möglicherweise bezahlen. Sie stellt deshalb eine Frage in den Raum: Wie viel Sicherheit ist notwendig, um sowohl das Individuum und seine Privatsphäre zu schützen als auch die öffentliche Ordnung nicht zu gefährden?

Steigendes Sicherheitsbedürfnis

Im Moment steige das Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft – obwohl die Kriminalität in Österreich rückgängig sei, erläutert Walter Hammerschick vom außeruniversitären Institut für Rechts-und Kriminalsoziologie. Etwas, das man auch auf unsere schlechte Einschätzung hinsichtlich realer Bedrohungen zurückführen könne: Bewohner des zweiten Wiener Gemeindebezirks, in dem vergleichsmäßig viel Kriminalität herrscht, fühlten sich in einer Befragung sicherer als Bewohner in Simmering, wo kriminelle Handlungen viel seltener vorkommen.

In einem Staat, der sich zu sehr auf Prävention konzentriert, können freiheitsrelevante Grundrechte bedroht werden. Für Hammerschick müsse Sicherheit jedoch immer der Freiheit dienen. Wenn der Wunsch nach mehr Sicherheit zu groß werde, könnten demokratisch legitimierte Regulierungsinstanzen diskreditiert werden, meint auch Wolfgang Mazal, Institutsvorstand für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien. Dazu gehören auch Rufe, straffällig gewordene Asylwerber frühzeitig und ohne Prozess abzuschieben.

Am Ende liege der Schlüssel in der Wissenschaft: Ihre Aufgabe sei es, das Niveau der Freiheitsbeschränkung zu diskutieren. Nur so kann die Grenze zwischen dem Machbaren und Gemachten, sowohl innerhalb der Wissenschaft als auch in der Gesellschaft, in Balance gehalten werden. (Katharina Kropshofer, 4.9.2019)