Elefanten vergessen bekanntlich nie, somit dürfte das Ibiza-Video wohl noch länger eine zentrale Rolle in heimischen Polit-Debatten spielen.

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Wien – Die erste Elefantenrunde des laufenden Wahlkampfs hat am Dienstag gezeigt, dass weder Klimakrise noch Pflege das Zeug zum Wahlkampfthema Nummer eins haben. Über diese Bereiche wurde von den Spitzenkandidaten der Parteien zur Nationalratswahl zwar auch diskutiert, die emotionalsten Äußerungen gab es jedoch zum Ibiza-Video und dessen Folgen sowie zum Thema Parteienfinanzierung.

In der Wahlauseinandersetzung, die unter dem Titel "Live: Klartext – Die Konfrontation der Spitzenkandidaten" sowohl in Ö1 zu hören als auch in ORF 3 zu sehen war, begrüßte Moderator Klaus Webhofer am Dienstagabend ÖVP-Chef Sebastian Kurz, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, den designierten FPÖ-Chef Norbert Hofer, Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, Jetzt-Spitzenkandidat Peter Pilz und Grünen-Chef Werner Kogler. Die Kandidaten traten live vor Publikum auf – was teils zu unterstützendem Applaus, teils aber auch zu Buhrufen führte.

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Unbeliebter Ex-Kanzler

Betroffen von den Unmutsäußerungen war – entgegen allen Beliebtheitswerten und Umfragen – Ex-Kanzler Kurz. Er sagte im Hinblick auf die Parteienfinanzierung, die ÖVP habe sich immer an die bestehenden Gesetze gehalten. Diese Aussagen quittierten sowohl die politischen Mitbewerber als auch die Zuschauer mit teils lautstarker Ablehnung. Dass die Koalition mit der FPÖ gescheitert ist, habe er sich "anders gewünscht". Das Ende der Zusammenarbeit sei jedoch "kein Wunsch, sondern eine Notwendigkeit" gewesen.

Streitthema Parteienfinanzierung

Als Schande bezeichnete Peter Pilz die Praktiken der ÖVP, Spenden vorbei am Rechnungshof zu stückeln. "Es gibt eine patscherte Ibiza-Partei und eine hochprofessionelle Ibiza-Partei", sagte Pilz mit Blick auf FPÖ und ÖVP. Er habe leider die Befürchtung, "dass sich die Patscherten und die Profis nach der Wahl wieder zusammentun" und eine Neuauflage der türkis-blauen Regierung bilden.

In Sachen Parteienfinanzierung gingen ebenfalls die Wogen hoch. Kurz behauptete erneut, er wäre mit den Neos gemeinsam für mehr Transparenz gewesen, was Neos-Chefin Meinl-Reisinger zu einer emotionalen Äußerung veranlasste. "Ich weiß nicht, in welchem Paralleluniversum Sie unterwegs sind", sagte sie. Die Neos hätten insgesamt acht Anträge eingebracht, um eine Rechnungshof-Kontrolle zu ermöglichen und Parteienfinanzierung transparenter zu machen. Rendi-Wagner merkte an, sie hätte das Thema Parteienfinanzierung gerne "raus aus dem Wahlkampf". Hofer sprach sich dafür aus, Lücken zu schließen.

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Klimakrise

Nach dem emotionalen Teil der TV-Konfrontation kamen endlich inhaltliche Diskussionen an die Reihe. Im Kampf gegen die Klimakrise sprach sich Meinl-Reisinger erneut dafür aus, Umweltverschmutzung durch eine CO2-Steuer zu belasten und die Menschen durch die Abschaffung der kalten Progression zu entlasten. Außerdem äußerte sie ein klares Ja zu einer ökosozialen Steuerreform. Diesem Vorschlag schloss sich auch der Grüne Werner Kogler an. Er ließ allerdings nicht unerwähnt, dass es beim Klimaschutz ein "Bündel an Maßnahmen" brauche und nicht nur "ein, zwei Schlagworte". Er möchte Steuerprivilegien beseitigen, Flugbenzin besteuern, die Mineralölsteuer an das Niveau anderer Länder anpassen und Investitionen umsteuern – von Autobahnen und Flughäfen hin zum Klimaschutz.

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Pilz sieht in der Klimakrise eine "große Chance, Tierschutz und Klimaschutz zu verbinden", sagte er. Unabdingbar sei für ihn auch eine CO2-Steuer. Im Gegensatz zu den Aussagen Rendi-Wagners habe diese Maßnahme sehr wohl positive Auswirkungen auf untere Einkommen. Diese verweigerte die CO2-Steuer – zumindest auf nationaler Ebene – erneut und nannte soziale Ungerechtigkeit als Grund dafür. Fördern möchte sie den Ausbau des Nahverkehrs, es brauche einfach mehr saubere Verkehrsmittel.

Verkehr

Das Thema Verkehr sprach auch der ehemals zuständige Minister Hofer an. "Auch E-Autos brauchen eine Autobahn", sagte er. Um eine Energiewende zu schaffen, müsse man bei der Speichertechnik ansetzen, so Hofer. Energie aus "Erneuerbaren" sollte daher anders besteuert werden als zum Beispiel Energie aus Kernkraft. Für einen Ausbau der Erneuerbaren Energiequellen sprach sich auch Kurz aus. Weiters fände er CO2-Zölle auf europäischer Ebene sinnvoll. Auf einen grünen Zweig kamen Kurz und Kogler bei ihrem Verlangen nach vermehrtem Einsatz von Wasserstoff als Speichermedium in der Industrie.

Pflege

Bei der Pflege waren sich die Spitzenkandidaten einig, dass man pflegende Angehörige entlasten müsse. Kurz nannte die Einführung einer Pflegeversicherung als fünfte Säule der Sozialversicherung als Möglichkeit – was bei Pilz die Alarmglocken schrillen ließ. Wenn das Wort "Säule" in einem Kurz-Vorschlag vorkomme, wolle er immer sofort wissen, welcher Spender da schon wieder dahinterstehe, sagte der Jetzt-Mandatar und witterte bereits den nächsten Skandal. Für ihn selbst sei die 24-Stunden-Pflege der schlimmste Bereich – mit "dubiosen Strukturen und ausgenützten Frauen aus Osteuropa". Für Pilz kommt lediglich ein staatliches System für die Pflege infrage.

Eine staatliche Pflegegarantie forderte auch Rendi-Wagner. Die Gegenfinanzierung würde im Modell der Sozialdemokraten durch eine Millionärssteuer erfolgen. Der blaue Spitzenkandidat Hofer findet neue Versicherungen oder Belastungen nicht notwendig, er würde das Problem in der Pflege durch Umschichtungen im System lösen. Meinl-Reisinger ortete aufgrund ihrer Zustimmung zu diesem FPÖ-Vorschlag einen "historischen Moment". Werner Kogler möchte vor allem pflegende Frauen entlasten.

Wie üblich analysierte Politikexperte Peter Filzmaier das Auftreten und die Argumente der Diskutanten.
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(APA, 3.9.2019)