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Ariana Grande ist eine fantastische Sängerin, aber keine geborene Entertainerin.

Foto: Getty Images for AG

Man will ja nicht über Sicherheitsbestimmungen bei Konzerten lästern, besonders nicht bei Konzerten von einem der größten Popstars dieser Tage, Ariana Grande. Wir erinnern uns an den Terroranschlag nach einer ihrer Shows in Manchester 2017. Es dürfen an diesem Dienstagabend also nur durchsichtige Taschen in die Wiener Stadthalle mitgenommen werden. Wer nicht im Besitz eines solchen Objekts ist, hat seine undurchsichtige Tasche abzugeben und wird dann mit einem stilechten Toppits-Gefrierbeutel für das Nötigste versorgt.

Nun sind bei Ariana-Grande-Konzerten, ihres Zeichens Teenie-Idol, circa 90 Prozent junge taschenbesitzende Frauen anwesend. Wie lang die Warteschlange vor der Abgabe ist, kann man sich also ungefähr ausrechnen. Kein Wunder, dass kluge Kinder schon seit dem Nachmittag vor Ort warten, wie Augenzeugen berichten. Unkluge Journalisten verpassen so das Vorprogramm, das vom amerikanischen Duo Social House und der großartigen britischen R-'n'-B-Newcomerin Ella Mai bestritten wird, haben dafür aber wenigstens einen Gefrierbeutel mehr.

Gott ist eine Frau, Männer sind Deko

Nächstes Problem gleich beim Bierholen:

"Hast du einen Ausweis?"

"Nein, der ist in meiner abgegebenen undurchsichtigen Tasche, wieso?"

"Na ja, also bist du volljährig, ich muss das fragen."

Die Fans von Ariana Grande drücken in den meisten Fällen noch die Schulbank. Der Auftritt des 26-jährigen Megastars beginnt deshalb familienfreundlich um 20.30 Uhr. Aus dem Boden fährt eine "Letztes Abendmahl"-Installation mit Grande in der Rolle des sexy Jesus und den fantastischen Tänzern als Aposteln – passenderweise gibt Grande im ersten Akt dieser in fünf Akte unterteilten Show ihren Hit "God Is a Woman" zum Besten.

Die Bühne, die sich leicht herzförmig in den Zuschauerraum erstreckt, ist schlicht gehalten. Ganz hinten hat man ein paar Männer drapiert, die – warum auch immer – Instrumente bedienen. Sie wirken wie ausrangierte Kens in einem totalitären Barbie-Regime. Nur der Drummer drischt auf sein Schlagzeug ein, als würde er sagen wollen "Ich bin Musiker, holt mich hier raus". Grundsätzlich gibt es nichts gegen Musiker einzuwenden, aber Ariana Grandes Musik wird auf Computern gemacht und soll auch so klingen. Vier Macbooks anstatt dieser menschlichen Dekoelemente hinzustellen wäre soundtechnisch besser und ebenso charismatisch gewesen.

Beschwingtes Tölten

Das Charisma ist überhaupt ein Hund. Grande ist eine fantastische Sängerin und Interpretin, aber keine geborene Entertainerin oder Performerin. Ihre Bewegungen lassen sich am besten als beschwingtes Tölten beschreiben, wobei das in Plateaustiefeln ohnehin schon eine Leistung ist. Natürlich läuft die Show irrsinnig professionell und fehlerfrei ab, das gewisse Etwas fehlt aber. Man muss sich das so vorstellen, wie wenn man in der Schule eh immer aufgepasst hat, aber vor der Prüfung keine Lust hatte, den Stoff zu wiederholen. Ein guter Dreier geht sich für Grande locker aus, aber mehr auch nicht. In ohrenbetäubender Lautstärke zugejubelt wird ihr ja sowieso.

Konzentrationsschwächen gegen Ende

Im zweiten Akt – natürlich wird die Kleidung brav gewechselt – stellt "Side to Side" den Höhepunkt dar. Es ist der Song, in dem es darum geht, nach – sagen wir – zu vielen Turnstunden nicht mehr wirklich gehen zu können. Eine großartige Popnummer, die auch der Schlagzeuger nicht zerhauen kann. Irgendwann werden noch falsche Geldscheine in die Luft gepustet, von denen ein paar auf der Bühne zu liegen kommen. Als alle Augen auf Ariana gerichtet sind, die sich am anderen Ende der Bühne befindet, eilt ein emsiger Ein-Mann-Putztrupp herbei, um die Bühne schnell zu säubern. Kurz wirkt die perfekte Popinszenierung lächerlich irdisch.

Im fünften Akt gibt es dann analog zur fünften Schulstunde schon leichte Konzentrationsschwächen; Madame will offensichtlich nicht mehr. "Break Free", das EDM-Brett, reißt uns noch einmal aus der leichten Fadesse, bevor dann bald die Glocke läutet. Angeblich wird es noch eine Zugabe in Form von "Thank U, Next" gegeben haben, aber alle, die ihre Taschen abholen wollen, werden da schon gegangen sein. Außerdem ist morgen Schule. (Amira Ben Saoud, 4.9.2019)