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Der Suchoi Superjet wandelte sich vom geplanten Prestigeprojekt der russischen Luftfahrtindustrie zum Flop.

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Moskau – Neuer Ärger um den Suchoi Superjet: Angeblich verzichtet Russland auf den geplanten Bau einer kleineren Version des SSJ 100. Das teilte der Chef der zweitgrößten russischen Fluglinie S7, Wladislaw Filjow, mit. Er sei vor zwei Wochen auf einer Sitzung zur Entwicklung des regionalen Flugverkehrs gewesen, sagte Filjow. "Der Vertreter des Industrieministeriums berichtete, dass entschieden wurde, den Sukhoi Superjet mit 75 Sitzplätzen nicht zu machen, da es keine Nachfrage danach gibt", sagte er. Laut Filjow ist der wichtigste Klient für den Flugzeugbauer die staatliche Aeroflot, und diese nehme nur Maschinen mit über 100 Sitzen.

Der Suchoi Superjet ist eigentlich ein Prestigeprojekt der russischen Luftfahrtindustrie. Er ist das erste moderne postsowjetische Passagierflugzeug und sollte der Airbus-320-Familie und der Boeing 737 Konkurrenz machen. Der für Kurz- und Mittelstrecken ausgelegte Flieger ist seit 2011 in Betrieb – allerdings viel zu selten. Rund 190 Maschinen wurden inzwischen hergestellt, doch es fliegen weniger als 120. Viele stehen wegen notwendiger Reparaturen still. Statistisch gesehen fliegt der SSJ 100 nur 3,3 Stunden am Tag, die Konkurrenz von Boeing und Airbus ist in der Zeit zehn Stunden unterwegs.

Unrentabler Betrieb

Das macht den Betrieb für viele Gesellschaften unrentabel. Der einzige größere internationale Kunde, die mexikanische Interjet, besitzt 22 Flugzeuge der Marke, hat auf eine Nachbestellung verzichtet und ist mit dem Hersteller, der russischen Staatsholding OAK, seit geraumer Zeit wegen der Reparaturkosten im Clinch. Treuester Kunde ist die Aeroflot, die als mehrheitlich staatliche Fluggesellschaft aber auch kaum Njet sagen kann, wenn die Regierung fordert, die eigene Luftfahrtindustrie mit Aufträgen zu unterstützen.

Der privaten S7 hingegen, die auf Regionalflüge in Russland spezialisiert ist, war die SSJ 100 mit über 100 Sitzplätzen zu groß, weil die Auslastung auf vielen Routen nicht gegeben war. Das Unternehmen hatte stattdessen – durchaus patriotisch – ein Auge auf die kleinere Variante geworfen: den 75-Sitzer SSJ 75. Im vergangenen Jahr unterzeichneten OAK und S7 eine Absichtserklärung über den Kauf von 50 Maschinen.

Laut Filjow hätte die kleinere Variante auch eine Reihe technischer Probleme lösen können. So hätte das geringere Gewicht Triebwerke und Flügel – beides Schwachstellen am SSJ 100 – weniger belastet. Doch die OAK tat sich schwer, weitere Kunden zu finden. Im Frühjahr traf das Unternehmen die Entscheidung, die Weiterentwicklung zu verschieben, um sich stattdessen auf die Ersatzteilproduktion für den SSJ 100 zu kümmern und nicht mehr am Import zu hängen.

Projekt eingefroren

Das mit 85 Milliarden Rubel (rund 1,2 Milliarden Euro) finanzierte Projekt wurde eingefroren, der ursprüngliche Auslieferungstermin 2022 auf 2024 verschoben – und nun laut Filjow trotz des Vorvertrags endgültig gestrichen, sehr zum Ärger des Airline-Besitzers. "Auf der Sitzung wurde erklärt, dass unsere Vereinbarung geringfügig ist. Das hat mich echt hochgebracht", klagte er in einem Interview mit der Tageszeitung "Wedomosti". Das Industrieministerium dementierte zwar anschließend, dass es eine endgültige Entscheidung zum Baustopp gebe. Doch aus OAK-Kreisen wurden Filjows Aussagen bestätigt. Pläne zum Weiterbau gibt es derzeit augenscheinlich nicht.

Damit nimmt das Image der russischen Flugzeugindustrie weiter Schaden. Das dürfte sich auch auf das nächste Prestigeprojekt auswirken: Der MC-21 soll mit einer Kapazität von 150 bis 210 Sitzen eigentlich der große Bruder des SSJ 100 werden. Mehrfach musste die Markteinführung des MC-21 verschoben werden, zuletzt wurde der Termin 2021 genannt.

Westliche Sanktionen

Allerdings hat das Projekt schwer unter den westlichen Sanktionen zu leiden. Triebwerke und das zur Erleichterung der Flügel dienende Kompositmaterial sollten ursprünglich aus dem Ausland bezogen werden. Diese Lieferungen sind angesichts drohender Sanktionen unsicher, sodass die OAK inzwischen fieberhaft an einem eigenen Ersatz arbeitet. Daher wurden zuletzt schon Spekulationen laut, dass der MC-21 sogar erst 2025 serienmäßig abhebt.

Angesichts der Schwierigkeiten seines Vorgängers sowie der Sanktionen, die dem Sektor drohen, sind die Erfolgsaussichten des MC-21 alles andere als rosig. Natürlich kann die Regierung mit Protektionsmaßnahmen den MC-21 auf dem russischen Markt durchdrücken, doch eine Fokussierung allein auf russische Fluglinien reicht nicht, damit sich das milliardenschwere Projekt rentiert. (André Ballin, 4.9.2019)