Brexit-Showdown im britischen Unterhaus.

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Das Jahr 2019 wird wohl als eines in die Geschichte eingehen, in dem gleich mehrfach deutlich wurde, dass die Gewaltenteilung ein wirksames Prinzip ist, um die in Europa so hart erkämpften Errungenschaften der Demokratie zu bewahren – auch und vor allem in Zeiten, in denen der Populismus, der sich durch lautes Getöse hervortut, zumeist aber keine Lösungen parat hat, in viele Regierungsbüros Einzug gehalten hat.

Da ist zum Beispiel Boris Johnson: Der neue – und vielleicht bald ehemalige – britische Premierminister weiß sich zur Durchsetzung seines Plans, den Brexit Ende Oktober um jeden Preis durchzuziehen, nicht anders zu behelfen, als das Parlament kurzerhand auszuschalten, es auf Zwangsurlaub zu schicken – und zwar so lange, bis es sein, für die Nation und ganz Europa zweifellos desaströses, Vorhaben nicht mehr verhindern kann.

Die Mehrheit der Abgeordneten im britischen Unterhaus erkannten dieses Manöver und taten sich in seltener Eintracht über Fraktionsgrenzen hinweg zusammen, um dem Premierminister Einhalt zu gebieten: Es soll im übergeordneten Interesse der Nation keinen ungeregelten EU-Austritt geben, der das Vereinigte Königreich in unkontrollierbare und unfinanzierbare Kalamitäten führen würde.

Das britische Parlament hat bewiesen, dass nicht der Regierungschef, sondern die Abgeordneten als gewählte Vertreter des Volkes letztendlich das Sagen haben. Wie schon Theresa May vor ihm pokerte auch Johnson hoch – und verlor. Das parlamenta rische Gemeinschaftsinteresse hat gewonnen. Zumindest vorerst.

Salvini im Machtrausch

Da ist auch das Beispiel Italien, wo der der von sensationellen Umfragewerten berauschte Innenminister Matteo Salvini mutwillig und ohne zwingenden Grund eine Regierungskrise vom Zaun brach, um Neuwahlen zu erzwingen. Diese hätte er zweifelsohne gewonnen – doch Umfragewerte allein rechtfertigen noch keinen vorgezogenen Urnengang zu einem beliebigen Zeitpunkt, nicht einmal im notorisch instabilen Italien.

Wie Johnson hat auch Salvini seine Macht überschätzt und sich grandios verzockt. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte, parteifrei und schon viel zu lang bloß willfähriger Erfüllungsgehilfe Salvinis, übergab durch seinen Rücktritt zuerst dem Staatspräsidenten und in der Folge dem Parlament die Kontrolle. Das war ein wohlüberlegter Schritt: Denn die im Parlament vertretenen Parteien haben auch ohne Neuwahlen eine alternative Basis für eine gemeinsame Arbeit gefunden – ohne den Unruhestifter Salvini. Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten wollen gemeinsam regieren und die Legislaturperiode regulär 2023 zu Ende bringen.

Türkis-blau in die Schranken gewiesen

Auch in Österreich musste die türkis-blaue Bundesregierung feststellen, dass sie nicht nach Belieben tun und lassen kann, was sie will. Wenn in der Folge der Ibiza-Affäre der Nationalrat mehrheitlich entschied, Sebastian Kurz und seinem Team das Regierungspouvoir zu entziehen, kann man zwar über parteipolitische Motive streiten, nicht aber über die Legitimität dieses Vorgangs. Denn gewählt sind nicht der Bundeskanzler und seine Ministerriege, sondern der Nationalrat als Vertretung der Wählerinnen und Wähler – und diese sind der Souverän, sie allein schaffen an.

Das Verfassungsprinzip der Machtteilung mag für Populisten nicht sonderlich attraktiv sein. Für die Sicherstellung der demokratischen Funktionen ist es hingegen unentbehrlich. (Gianluca Wallisch, 5.9.2019)