Worum es geht, ist das gut getimte Drama.

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Möglicherweise haben tausende Therapien und Coachings unser Beziehungsleben ruiniert. Gerne heißt es da nämlich: "Signalisiere auch in Konfliktsituationen Verständnis." – "Formuliere deine Bedürfnisse auf ruhige und besonnene Art." Wer solche Glaubenssätze verinnerlicht, kann bestimmt sehr gut eine Farm für verlassene Tiere leiten. Oder bekommt von seinen Großeltern den ersten Preis für gutes Benehmen. Doch sobald es um maximale zwischenmenschliche Anziehungskraft geht, erreicht man mit Freundlichkeiten nichts – viele von uns sprechen da aus Erfahrung. Warum also nicht von Profis lernen?

Freiheit, Gleichheit, Zickigkeit

"Werdet endlich unbequem", rufen die Erwachseneren unter uns den Braven, den Mutlosen, den allzu Angepassten neuerdings gerne zu. Eine These, die vor kurzem auch das Pariser It-Girl Joséphine de La Baume in einem Interview vertrat. Auf die Frage, wie denn diese berühmte "Liebe auf Französisch" in der Praxis aussehe, antwortete die Sängerin und Schauspielerin mit rauchiger Stimme: Wenn sie von ihrem Mann gefragt würde "Schatz, wie war dein Tag?", dann würde sie aufstehen und die Türe hinter sich zuknallen – nicht ohne ihm vorher noch lautstark den Satz "Mehr hast du mir nicht zu sagen?!" an den Kopf geworfen zu haben. Es sei, glaubt de La Baume, ein Fehler, auf Halbherzigkeiten mit Friede, Freude, Eierkuchen zu reagieren. Mit anderen Worten: Nettsein ist in der Liebe keine Kategorie.

Das wussten die Franzosen schon immer: All die großen Maitressen haben ihre Liebhaber schließlich über Jahre, oft auch Jahrzehnte, nicht mit reiner Sanftmut bei der Stange gehalten. Zahllose historische Briefe belegen: Unter Amors Schirmherrschaft wurden nicht nur Küsse und parfümierte Taschentücher verteilt, sondern auch mit großem Effekt getobt, gedroht und mit Seidenbrokatschuhen auf dem Parkett aufgestampft.

Zerschlag das Geschirr, Baby

Und heute? Es ist dringend davon abzuraten, handgreiflich zu werden oder das treulose Objekt der Begierde an die Polizei zu verraten ("Letztes Silvester hat sie nicht nur Alkohol konsumiert!"). Worum es geht, ist das gut getimte Drama: im richtigen Moment das eigene Teeservice zerschlagen (sehr effektvoll). Heulkrampf zum Abschied (noch effektvoller). Wüste Schimpftiraden beim Sex (am allereffektvollsten). Auch noch gut: die Kleidung (des anderen) zum Fenster rauswerfen.

Merke: Unvernunft schafft Raum für Außergewöhnliches. Die ganz großen Gefühle stellen sich selten über einem laktosefreien Caffè Latte ein. (Ela Angerer, RONDO, 18.9.2019)