Wenn das alles so stimmt, dann ist es ein Riesenskandal. Das Problem ist: wenn das alles so stimmt. Als Innenpolitikjournalist oder auch als politisch interessierter Bürger und Beobachter ist man vorsichtig dabei geworden, was man glauben kann. Das ist kein Vorwurf, der sich explizit an die Volkspartei richtet, aber schon auch. Es wird getrickst, verborgen, getäuscht und verdreht. Die Fakten dahinter sind oft schwer zu erkennen und darzustellen.

In diesem Fall geht es allerdings nicht ums Tricksen, sondern um eine eindeutig kriminelle Handlung. Und gehen wir einmal davon aus, dass das so stimmt. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln. Die Volkspartei wurde Opfer (schon wieder Opfer!) einer großangelegten Cyberattacke. Die ÖVP wurde mit kriminellen Methoden gehackt.

Die Vorgangsweise und das Ausmaß der Aktion lassen auf Profis mit großer krimineller Energie schließen. Es wurden Daten in großem Ausmaß gestohlen. Die gesamte Buchhaltung, Mailverkehr, Unterlagen zu den Wahlkampagnen, Vorbereitungen auf die TV-Konfrontationen und einiges mehr. Die ÖVP hatte bereits diesen Verdacht, seit Dienstag weiß sie es angeblich mit Sicherheit. Und Daten wurden weitergegeben.

Datenhack

Auch DER STANDARD bekam über seinen anonymen Briefkasten Daten aus unbekannter Quelle. Ob sie aus dem Datenhack stammen, wissen wir nicht. Da ging es um Listen mit ÖVP-Spendern. Die Redaktion hat diese Daten sorgfältig geprüft. Wo es Vergleichsdaten gab, haben wir das gegengecheckt, schließlich haben wir die Spender selbst kontaktiert und befragt: Etliche haben Summen und Daten bestätigt, andere haben nicht geantwortet, niemand hat dementiert. Alles gut. Auch die ÖVP selbst bestreitet diese Daten nicht.

Die Volkspartei wurde Opfer einer großangelegten Cyberattacke.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Andere Daten, die beim "Falter" gelandet sind, seien verfälscht worden. Behauptet die ÖVP. Da geht es um die Buchhaltung und darum, wie Ausgaben als Wahlkampfkosten deklariert werden oder eben nicht. Man könnte das mit kreativer Buchhaltung umschreiben. Ein Teil der veröffentlichten Daten stimme, aber eben nicht alles. Sagt die ÖVP. Deshalb habe man auch geklagt.

Während der erste Vorgang, der Einbruch in die Infrastruktur der ÖVP, glaubhaft und nachvollziehbar klingt, kommen beim anderen Vorgang Zweifel auf: Wer sollte einzelne Details verfälschen? Mit welchem Ziel? Um den "Falter" reinzulegen? Oder die ÖVP reinzureiten? Beides würde doch auffliegen. Gegenargument: vielleicht erst nach der Wahl.

Tatsache ist, dass mit kriminellen Methoden versucht wird, in den Wahlkampf einzugreifen und die Bürger und die Politik durch gezielte Veröffentlichungen zu beeinflussen. Wie schon mit dem Ibiza-Video. Da mag ein hehres Ziel dahintergesteckt haben, die Methoden waren es nicht. Auf eine Aufklärung durch die Justiz warten wir noch. Und so wird es auch mit dem Dateneinbruch bei der ÖVP sein: Vor der Wahl werden wir nichts erfahren, was sich mit Sicherheit belegen und überprüfen ließe. Das spielt erst einmal der ÖVP in die Hände. Das wird die Anhänger von Sebastian Kurz mobilisieren – und das soll keine Unterstellung sein.

Das gehört alles aufgeklärt. Uns bleiben derzeit nur Mutmaßungen. Und die dürfen auch im Wahlkampf nicht den Blick darauf verstellen, worum es bei dieser Wahl wirklich geht: um politische Inhalte und Grundwerte, die Österreichs Zukunft betreffen. (Michael Völker, 5.9.2019)