Flüchtlinge und Migranten im "Nea Kavala"-Lager im Norden Griechenlands. Die Menschen werden sukzessive von den überfüllten Inseln aufs Festland gebracht.

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Der Medienhype um die Schiffe mit Geretteten, die nicht in Italien anlegen dürfen, entspricht nicht den wirklich großen Herausforderungen auf dem Mittelmeer – denn heuer kommen vergleichsweise sehr wenige Migranten nach Italien, dafür ist die Anzahl jener, die nach Griechenland kamen, stark angestiegen. Vergangene Woche kamen etwa 340 Menschen pro Tag auf einer der ägäischen Inseln an – insgesamt waren es 2.377. An einem Tag erreichten sogar 13 Schiffe mit 547 Personen an Bord die Küste von Lesbos.

Die türkischen Behörden versuchen nach eigenen Angaben, die Menschen an der Überquerung des Mittelmeers zu hindern – und haben erst kürzlich hunderte Leute festgenommen, die dies versuchten. Die vermehrten Ankünfte werden in Griechenland aber trotzdem als ein Zeichen dafür gesehen, dass die Türkei Druck auf die Europäische Union ausüben will. Inhaltlich geht es Ankara offensichtlich um mehr Verständnis für die Ölbohrungen vor der Küste von Zypern und um mehr Geld von der Union. Das Anwachsen der Flüchtlings- und Migrantenzahlen hat aber wohl auch damit zu tun, dass die Türkei angesichts einer intern angespannten wirtschaftlichen Situation begonnen hat, Syrer zurück nach Syrien zu schicken.

1.500 Menschen auf Festland

Zurzeit befinden sich etwa 25.000 Flüchtlinge und Migranten auf den griechischen Inseln, davon sind fast die Hälfte Afghanen, zwölf Prozent Syrer und zehn Prozent aus dem Kongo. 66 Prozent der Menschen sind jugendliche oder erwachsene Männer. Die griechischen Behörden haben nun damit begonnen, Geflohene aus den völlig überfüllten Lagern von den Inseln aufs Festland zu bringen – diese Woche waren es etwa 1.500 Personen.

Sobald die Menschen allerdings aufs Festland kommen, besteht die Möglichkeit, dass sie Richtung Nordmazedonien und Bulgarien aufbrechen, um nach Mitteleuropa zu kommen. Deshalb werden vor allem Minderjährige und Leute mit Gesundheitsproblemen aufs Festland gelassen. Bei Angehörigen dieser Gruppen geht man davon aus, dass die Gefahr, dass sie untertauchen, am geringsten ist. Die griechische Regierung hat mittlerweile angeordnet, dass die Grenzpolizei mehr Personal und Ausrüstung erhält – unter anderem sollen zehn neue Schnell boote eingesetzt werden.

Härteres Vorgehen

Die neue griechische Regierung will auch die Anzahl der Rückführungen erhöhen. So sollen Migranten, deren Asylanträge abgelehnt wurden, verstärkt aufgegriffen und in ihre Ursprungsländer zurückgebracht werden. Athen will es auch schwieriger machen, dass bereits abgelehnte Fälle nochmals überprüft werden. In jüngster Zeit werden in Griechenland und in Nordmazedonien vermehrt Fahrzeuge mit Schleppern und Migranten aufgehalten. Immer wieder kommt es bei Menschenschmuggelfahrten zu Unfällen.

Insgesamt kamen heuer bis Ende August 34.000 Migranten nach Griechenland. Im gesamten Vorjahr waren es 50.500 – hochgerechnet also etwa gleich viele. Dennoch sind die Lager auf Lesbos so überfüllt, dass die Leute lange Schlange stehen, bis sie die Toilette oder die Dusche benützen können. Wiederholt kommt es zu Gewaltausbrüchen und zu Übergriffen, auch auf Minderjährige.

Das Ziel der afghanischen Migranten ist zumeist Mittel- oder Westeuropa. Oft werden Minderjährige von den Familien los geschickt – sogenannte Ankerkinder –, sie sollen in Mittel- und Westeuropa einen legalen Status erreichen und dann die Familie nachholen. Diese Jugendlichen stehen oft unter großem Druck ihrer Familien.

Hilfsorganisationen prangern laufend die fehlende psychosoziale Betreuung der Menschen in den Flüchtlingslagern Griechenlands an, was einerseits zu Spannungen zwischen den Menschen, andererseits zu psychischen Problemen bei den Betroffenen führt.

Weniger Ankünfte in Italien

Im Vergleich zu den hohen Ankunftszahlen in Griechenland kamen heuer sehr wenige Migranten nach Italien. Bisher waren es laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR 5.300 Menschen, 2018 waren es insgesamt mehr als 23.000. Der Rückgang der Ankunftszahlen hat mit der verschärften italienischen Politik zu tun, aber offenbar auch damit, dass weniger Rettungsschiffe direkt an der libyschen Such- und Rettungszone vorbeifahren. Die größte Personengruppe in Italien Ankommender machen Tunesier aus (22 Prozent), gefolgt von Pakistanern (16 Prozent). Sie haben praktisch keine Chance, Asyl zu bekommen.

Abkommen mit Pakistan

Die Europäische Union hat im Jahr 2010 ein Rückführungs abkommen mit Pakistan abgeschlossen. Demnach sollte es einen Datenabgleich mit den pakistanischen Behörden geben, um Rückreisedokumente auszustellen.

Doch das System scheint wenig effizient. Tausende Pakistaner, die keine Chance auf Asyl haben, befinden sich derzeit etwa in Bosnien-Herzegowina. Keiner kümmert sich jedoch darum, dass sie zurück nach Pakistan gebracht werden – dabei könnten dies EU-Staaten wie Griechenland, Bulgarien oder auch Kroatien bewerkstelligen. (Adelheid Wölfl, 6.9.2019)