Würzt ihre musikalische Programmatik von jeher mit politischen Aperçus: Komponistin Olga Neuwirth.

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Es ist einzigartig, wie in der alten Silberstadt Schwaz vor einem Vierteljahrhundert ein Neue-Musik-Festival entstanden ist, das nicht nur für Fachkreise interessant ist, sondern ein breites ortsansässiges Publikum anspricht. Legendär, wie dort Nichtfachleute am Rand der Konzerte einen Austausch über das Erlebte pflegen. Komponist Thomas Larcher, Träger des Großen Österreichischen Staatspreises 2019, hat das Festival einst gemeinsam mit Anton Hütter und Maria-Luise Mayr gegründet. Nach der Ära von Peter Paul Kainrath, der 2020 das Klangforum Wien übernimmt, brachte die Leitung von Matthias Osterwold soziologische Perspektiven ein.

Musikalische "Pilgerwanderung"

Was all die Jahre blieb, war eine breite Ausstrahlung in die Region, das Erschließen ungewohnter Veranstaltungsorte bis hin zur schon traditionellen musikalischen "Pilgerwanderung". Nach dem 25-Jahr-Jubiläum 2018 zeichnet seit heuer nach Osterwold der zweite Soziologe – und Philosoph, Journalist und Musikkurator – für das Programm verantwortlich. Reinhard Kager, langjähriger Korrespondent wichtiger Zeitungen und Experte für Improvisation, stellt in seiner ersten Klangspuren-Ausgabe Fragen nach dem "Abgrund einer irreversiblen Klimakatastrophe und einer sozialen Kluft" sowie den "sozialen Erosionsprozessen in unseren westlichen Gesellschaften".

Daher hat er für dieses Jahr das Motto "Risse" gewählt, "nicht, um die entstandenen Klüfte zu vertiefen, sondern um deren Wurzeln zu beleuchten, Ursachenforschung zu betreiben und auf sinnlich-reflexive Weise neue Denk- und Erfahrungsräume zu öffnen". Kager orientiert sich an den Leitthemen "Musik und Politik", "Musik und Utopie" sowie "Musik und bildende Kunst".

Olga Neuwirth bis Mark Andre

Der erste Themenbereich ist schon im Eröffnungskonzert am 6._9. bei Werken von Luigi Nono, Olga Neuwirth und Claus -Steffen Mahnkopf präsent, während Jorge Sánchez-Chiong in seiner Oper Bill explizit unkontrolliertes Wachstum kommentiert. Der utopische Gegenentwurf wird etwa durch Composer in Residence Mark Andre verkörpert, der "mit eindringlich-zarten Klängen unserer zerrütteten Gegenwart die Unerschütterlichkeit des Glaubens und der Hoffnung" entgegenhält. Im Mittelpunkt des Schwerpunkts zu bildender Kunst steht Roman Haubenstock-Ramati mit seinen grafischen Partituren. Weiters gibt es eine Reihe von Solokonzerten mit durchaus performativen Komponenten. 6. bis 22. 9. (Daniel Ender, 5.9.2019)