"König der Welt" zu werden war sein Kinderberufstraum, doch nun ist der britische Premier von seinem Parlament auf ein bürgerliches Maß zurechtgestutzt worden. Boris Johnson, dessen Ansichten von der Dehnbarkeit der Demokratie ähnlich vermessen sind wie seine kindlichen Fantasien, muss sich von den Abgeordneten vorschreiben lassen, dass er das Vereinigte Königreich am 31. Oktober nicht ohne Abkommen aus der EU führen darf. Von einer Lösung im Brexit-Dilemma ist man aber nach wie vor meilenweit entfernt.

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Der britische Premier Boris Johnson wird einen zweiten Antrag auf Neuwahlen stellen.
Foto: AP Photo/Alastair Grant

Viel wahrscheinlicher sind Neuwahlen, ein Wahltermin im Oktober ist nach wie vor möglich. Zumindest wenn am kommenden Montag ein Neuwahlantrag durchgeht, nachdem das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit abgesegnet ist. Wer jetzt glaubt, dass Boris Johnson für seine berechnenden Lügen abgestraft wird, könnte irren. Die Umfragen stehen immer noch gut für die Konservativen. Und Johnson und sein Team arbeiten seit Wochen an ihrer Dolchstoßlegende: König Johnson als Garant für die erlösende Umsetzung des Volkswillens auf der einen Seite – Jeremy Corbyn und das Parlament als Volksverräter auf der anderen.

Sollte der Poker aufgehen und Johnson Großbritannien Ende Oktober als gewählter Premier aus der EU führen, wird das Erwachen am 1. November für alle Seiten schmerzhaft: Die Probleme bleiben dieselben, werden nur viel komplexer. Und Johnson muss dann endlich liefern. (Manuela Honsig-Erlenburg, 5.9.2019)