Ex-Finanzminister Hartwig Löger und anderen wird in einer neuen Anzeige vorsätzliche Pflichtverletzungen im Rahmen der Bestellung von Peter Sidlo zum Casag-Finanzvorstand vorgeworfen.

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Neue Anzeige in der Causa rund um die Vorstandsbestellung in der teilstaatlichen Casinos Austria AG (Casag). Seit wenigen Tagen prüft die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien (WKStA) die vor kurzem bei ihr anonym eingebrachte Sachverhaltsdarstellung, wie ein Sprecher der Behörde bestätigt.

Das Schreiben, das dem STANDARD vorliegt, bringt nun auch den früheren Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) ins Spiel. Darin wird ihm, Ex-Finanzstaatssekretär im Finanzministerium Hubert Fuchs und auch dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium und heutigen Chef der staatlichen Beteiligungsgesellschaft Öbag, Thomas Schmid, grobe, vorsätzliche Pflichtverletzungen im Rahmen der Bestellung von Peter Sidlo zum Casag-Finanzvorstand vorgeworfen. Das Finanzministerium ist für die Aufsicht übers Glücksspiel zuständig, vergibt bzw. entzieht die Lizenzen, die an strenge gesetzliche Auflagen gebunden sind. Sidlo wurde am 28. März bestellt und ist seit 1. Mai im Vorstand tätig.

Verdacht um parteipolitischen Deal

Die WKStA ermittelt in der Causa seit längerem, es geht um den Verdacht, hinter Sidlos Bestellung stehe ein parteipolitischer Deal. Der 45-jährige frühere Wiener FPÖ-Bezirksrat sei nicht qualifiziert und mithilfe von ÖVP und FPÖ und Stimmen der Novomatic-Vertreter im Vorstand installiert worden, so der Vorwurf, im Gegenzug habe man Novomatic Entgegenkommen bei Glücksspiellizenzen zugesagt. Strafrechtlich gesprochen geht es um Bestechlichkeit und Bestechung, für alle hier Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

In der neuen Anzeige heißt es nun, Casag-Aufsichtsratspräsident Walter Rothensteiner sowie Löger, Fuchs und Schmid hätten in ihrer Funktion als Vertreter der Glücksspiel-Aufsichtsbehörde im Rahmen der "politischen Postenbesetzung vorsätzlich die Tatsache ignoriert, dass Sidlo die im Glücksspielgesetz bewusst streng normierten Qualifikationen für die Ausübung eines Vorstandes der Casag nicht erbringt".

Wie berichtet war Sidlo vor seiner Bestellung in der Geschäftsführung der kleinen Finanzgesellschaft Sigma (sieben Mitarbeiter) und zuvor in der börsennotierten Immogesellschaft Conwert tätig gewesen, die Casag hat 4000 Mitarbeiter. Das Glücksspielgesetz verlangt unter anderem, "dass der Geschäftsführer in ausreichendem Maße theoretische und praktische Kenntnisse in den beantragten Geschäften der Konzession sowie Leitungserfahrung hat".

Der in die Casag-Vorstandsbesetzung involvierte Personalberater Egon Zehnder hatte Sidlo nicht für qualifiziert gehalten, der entsprechende Bericht wurde dem Gesamtaufsichtsrat aber nicht vorgelegt. Einzig der Vertreter der tschechischen Sazka-Gruppe enthielt sich bei der Bestellung Sidlos der Stimme. Zwischen Casag-Eigner Novomatic (hält rund 17 Prozent) und dem mit 38 Prozent größten Casag-Aktionär Sazka-Gruppe tobt seit längerem ein erbitterter Machtkampf. Die Republik hält via Öbag rund 33 Prozent am Glücksspielkonzern.

Aufsichtsrat sicherte sich ab

Aufsichtsratschef Rothensteiner hatte zwei Rechtsgutachten zur Frage erstellen lassen, ob der kritische Bericht des Personalberaters dem Gesamtaufsichtsrat vorgelegt werden muss; eines davon sagte: nein. Das sei ein Gefälligkeitsgutachten gewesen, heißt es in der Anzeige, die Vorgangsweise der Kapitalvertreter im Aufsichtsrat bezeichnet der – wohlgemerkt anonym bleibende – Anzeiger als "hinterlistig", sie habe der Umgehung des Glücksspielgesetzes gedient. Aus einem Brief Rothensteiners an den Aufsichtsrat, den er in der letzten Augustwoche nach den Hausdurchsuchungen bei Sidlo, Gudenus und Strache schickte, geht hervor, dass das Kontrollgremium selbst gefragt wurde, ob es den Zehnder-Bericht vorgelegt bekommen wolle. Das Gremium habe das aber abgelehnt.

Rothensteiner schrieb darin aber auch sinngemäß, dass mangelnde Finanzexpertise des Finanzchefs kompensiert werde: Durch den Wechsel von Exfinanzchefin Bettina Glatz-Kremsner an die Vorstandsspitze sei "das erforderliche Know-how betreffend den Finanzbereich im Vorstand zu jeder Zeit vorhanden", und so werde "Herrn Sidlo die Einarbeitung besser ermöglicht".

Harter Tobak aus der Anzeige: Dem Aufsichtsrat sei bewusst ein politisch akkordierter, aber formal wie materiell nicht qualifizierter Kandidat vorgeschlagen worden, der Bestellungsprozess sei heimtückisch manipuliert worden, um den Regierungswillen umzusetzen. Die Vertreter der Aufsichtsbehörde Löger, Fuchs und Schmid hätten sich dem im Sinne des Gesetzes widersetzen müssen.

Selbige haben, wie berichtet, bisher alle Vorwürfe zurückgewiesen, und es gilt die Unschuldsvermutung. Sidlo sagte dem "Kurier", er sei "der Richtige für den Job", Rothensteiner sieht es auch so und verteidigt die Bestellung. Fuchs betont gegenüber dem STANDARD, er sei "als Staatssekretär weisungsgebundenes Organ des Finanzministers gewesen und hätte somit keinerlei eigene Entscheidungen bezüglich eines Bestellungsvorganges im Sinne des Glücksspielgesetzes treffen können". Zudem obliege die Bestellung eines Vorstands "ausschließlich dem in der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsrat und nicht einem Ministerium". Öbag-Chef Schmid und Löger waren zur neuen Anzeige nicht zu erreichen. Schmid hat aber schon zuvor wissen lassen, dass er in die Besetzung nicht eingebunden gewesen sei.

Sechs Beschuldigte

Im Zusammenhang mit dem Verfahren hat die WKStA erst Mittwochfrüh Büros im Finanzministerium gefilzt. Ermittelt wird in der Causa gegen Novomatic, die Ex-FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, Fuchs, Novomatic-Eigner Johann Graf, Novomatic-Chef Harald Neumann und Sidlo. Sie alle weisen die Vorwürfe zurück.

Und was sagt das Finanzministerium unter Eduard Müller zu alledem? Wird die Aufsicht den Casag-Finanzvorstand abberufen, wie das der Anzeiger anregt? Das ist nicht zu erwarten. Laut seinem Sprecher hat das Ministerium "in Bezug auf die Redlichkeitsprüfung in glücksspielrechtlicher Hinsicht die Bestellungen zur Kenntnis genommen". Es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben, "dass die vom Aufsichtsrat neu bestellten Vorstände für die Funktionen nicht geeignet wären". Von der neuen Anzeige wisse man nichts, könne daher auch keine Stellungnahme abgeben. (Renate Graber, 5.9.2019)