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Anbieter wie Airbnb oder Uber machen sich in Brüssel für ihre Rechte stark. Das gehe oft zulasten allgemeiner Interessen, sagen Experten. Vor allem dann, wenn Arbeitsrechte umgangen werden.

Foto: Reuters / Fabrizio Bensch

Digitale Plattformen haben in den vergangenen Jahren Einzug in unser Leben erhalten – und bestehende Wirtschaftszweige oft umgekrempelt. Uber und Airbnb sind dafür Beispiele. Die neuen Möglichkeiten für die Buchung von Übernachtungen oder Fahrdiensten machen das Leben vieler Menschen sicherlich einfacher – auch weil das Angebot preislich oft attraktiver ist als bei der Konkurrenz. Dass sich diese Anbieter aber gegen Vorgaben stellen, die in der Branche sonst erfüllt werden müssen, stößt Experten sauer auf.

Das betrifft etwa Ausnahmen von Bestimmungen, die etwa normale Taxi- oder Unterkunftsvermieter erfüllen müssen. Brandschutzvorgaben, Abführung von Ortstaxen oder ein angemeldetes Gewerbe zählen hier zu den offenen Streitpunkten.

Massives Lobbying

Dass die sogenannte Plattform-Economy mit diesen Umwegen zu solchem Erfolg gelangen kann, liegt auch daran, dass auf EU-Ebene intensivstes Lobbying betrieben wird. Ziel ist es, "ihre besonderen Privilegien als Teil der kollaborativen, digitalen Wirtschaft abzusichern", heißt es in einer aktuellen Studie, die die Arbeiterkammer mit der 1997 gegründeten NGO Corporate Europa Observatory erstellt hat. Die NGO hat sich zum Ziel gesetzt, den Einfluss auf die Politik in der EU transparent zu machen.

So hatten Vertreter der EU-Kommission zwischen Dezember 2014 und Juli 2019 in Summe 23.400 Termine mit Interessengruppen. 119 Termine gab es laut der Erhebung mit Lobbyisten aus der digitalen Welt. "Rechnet man die Weihnachts- und Sommerferien heraus, kann man sagen, dass die digitale Wirtschaft alle zwei Wochen einen Termin auf höchster EU-Ebene hat", sagt Frank Ey, Experte für EU-Angelegenheiten bei der Arbeiterkammer.

Uber und Airbnb sollen demnach besondern intensiv bei den EU-Institutionen darum werben, dass man ihr Geschäftsfeld schützen müsse. "Dafür werden vor allem zwei Richtlinien bemüht", sagt Ey. Die E-Commerce-Richtline aus dem Jahr 2000 und die Dienstleistungsrichtlinie von 2006.

Alte Richtlinien helfen nicht

Beide stammten aber aus einer Zeit, bevor die Plattform-Economy politisches Thema wurde. Antwort auf nun offene Fragen geben diese Regelwerke laut Ey daher nicht. Aufgrund der direkten Einflussnahme durch Branchengruppierungen oder Lobbyingverbände bei der EU-Kommission agiere diese häufig zugunsten der Plattformen. "EU-Binnenmarktregeln werden oft so ausgelegt und angewendet, dass die Plattformen häufig in der Lage sind, nationale oder kommunale Bestimmungen zurückzudrängen", erklärt Ey.

So mache es etwa die E-Commerce-Richtlinie aufgrund des Herkunftslandprinzips schwierig, den Onlineplattformen Regeln aufzuerlegen. Die Richtlinie macht es aber für Behörden erheblich schwieriger, an notwendige Informationen der Plattformen zu gelangen, um Schutzgesetze durchsetzen zu können. Die Kommission scheint laut der Studie entschlossen, unter dem Motto "Wachstum und Innovation" den Plattformen entgegenzukommen.

So wollen viele neue Anbieter ihren Status als "Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft" absichern, der ihnen das Recht gibt, die Zusammenarbeit mit Behörden zu verweigern, die ihre Aktivitäten reglementieren wollen, und ihnen die Möglichkeit gibt, ohne eigene Zulassung zu arbeiten. In Österreich hat das bei Uber zuletzt für Zwist gesorgt. Der Taxianbieter 40100 hatte diesbezüglich gegen Uber geklagt – das Handelsgericht hat entschieden, dass Uber hierzulande eine Niederlassung haben und ein Gewerbe anmelden muss. Seitdem ist Uber in Wien als Reisebüro tätig – das letzte Kapitel in dieser Causa noch nicht geschrieben.

Ausgewogenes Verhältnis

Die Arbeiterkammer fordert von der neuen EU-Kommission daher, dass diese nicht nur Konzerne hört, sondern auch ausreichend Vertreter der Zivilgesellschaft. Unternehmen dürften nicht von ihren Pflichten freigespielt werden und dürften Arbeits- oder Verbraucherschutzgesetze nicht umgehen, fasst EU-Experte Ey zusammen. Kenneth Haar, Forscher und Aktivist des Corporate Europe Observatory, fordert gar einen neuen europäischen Ansatz für die Plattformwirtschaft. (Bettina Pfluger, 5.9.2019)