"Expanded Animation – Mapping an Unlimited Landscape"

Hrsg. Jürgen Hagler, Michael Lankes, Alexander Wilhelm, Gestaltung von Elmar Glaubauf

254 Seiten, 250 Abb.

ISBN 978-3-7757-4525-3

Cover: Hatje Cantz Verlag
Coverillu.: Hatje Cantz Verlag

Teilchen, die auf geisterhafte Art über Kilometer miteinander verschränkt sind, physikalische Ereignisse, die prinzipiell unvorhersagbar sind, oder Phänomene, die sich allein durch Beobachtung verändern – die Welt der Quantenphysik bleibt für Menschen, deren physikalisches Verständnis durch ihre Alltagswelt in der makroskopischen Welt geprägt ist, schwer fassbar. Auch wenn die Formeln stimmen, die Experimente aufgehen, es fehlt das Gefühl dafür, die Intuition.

Wie kann man diese Welt also versinnbildlichen? Das Künstlerduo Ina Conradi und Mark Chavez geht dafür einen eigenen Weg. Sie schaffen mit den Mitteln des Animationsfilms interaktive, audiovisuelle Metaphern für Quantenrealitäten, Theorie wird in sinnlich erfahrbare "kulturelle Archetypen" übersetzt.

Der Film Quantum Logos der beiden in Los Angeles und Singapur beheimateten Künstler wird am kommenden Wochenende beim Medienkunstfestival Ars Electronica in Linz präsentiert. Chavez ist zudem einer der Redner beim Symposium "Expanded Animation", das, organisiert vom Department Digitale Medien der FH Oberösterreich am Campus Hagenberg, die Ars Electronica seit nunmehr sieben Jahren begleitet. Stimmen aus der Wissenschaft und der Medienkunst kommen zusammen, um sich, heuer zum aktuellen Ars-Electronica-Thema "Out of the box" passend, auf die "Randgebiete" der Animationskunst zu konzentrieren.

Konventionen entkommen

Animation wurde in den vergangenen Jahrzehnten zur technisch ausgefeilten Mainstream-Erscheinung in Filmen und Videospielen. Experimentelle Positionen bilden bis heute einerseits einen Gegenpol zur Kommerzialisierung und Reproduktion der immer gleichen narrativen und ästhetischen Blaupausen, andererseits sind sie das Reservoir, aus dem die etablierte Industrie Innovationskraft bezieht. Beim diesjährigen Symposium ist alles gefragt, was sich über Konventionen hinwegsetzt und die Grenzen gängiger Filmprojektion sprengt.

Neben experimentellen und angewandten Positionen von Medienkünstlern steht auch die Überschneidung zwischen Animationskunst und Computerspiel im Fokus. "Im neuen Expanded-Games-Programmteil gehen wir der Frage nach, was Computeranimation im Kontext von Medienkunst leisten kann", erklärt Jürgen Hagler, Professor am Department für Digitale Medien der FH OÖ und Koorganisator des Symposiums. Neben internationalen Beiträgen über Computerspieltheorie und -ästhethik werden in einer "Expanded Games Exhibition" Projekte von FH-Studierenden, -Absolventen und -Lehrenden vorgestellt, deren Entwickler "outside the box" dachten und neue Zugänge zu Spielmechaniken und Games-Inhalten fanden. Beispielsweise kann man in Dyami einem Jäger der amerikanischen Ureinwohner in die Geisterwelt folgen und ihn mit der Fähigkeit, sich an den Zielort seiner Pfeile zu teleportieren, Rätsel lösen lassen.

Subversive Strategien in der Medienkunst

Im Rahmen des Symposiums wird zudem die Anthologie "Expanded Animation – Mapping an Unlimited Landscape" vorgestellt, die einen Rückblick auf die wissenschaftlichen und künstlerischen Positionen aus den ersten Jahren der Veranstaltung bringt. Auch hier wird beispielsweise der Wert experimenteller Visualisierungen für einen intuitiven Zugang zu komplexen Daten und abstrakten Erkenntnissen in den Wissenschaften hervorgehoben.

Hagler, der auch einer der Herausgeber des Bandes ist, lotet subversive Strategien innerhalb der Medienkunst aus. Er beruft sich etwa auf den deutschen Theoretiker Friedrich Kittler, der Medien letztendlich als Kinder des Krieges sah. Was mit dem Militärfunk begonnen hat, führte irgendwann zu einer Radioübertragung eines Jimi-Hendrix-Konzerts, veranschaulicht Hagler. Viele Strategien fokussieren demnach darauf, Technologie umzuwidmen, um sie im Sinne der Kunst zu verwenden. Bis heute: "Die Absicht der Drohnentechnologie war, auf neue Art sehen zu können, nicht gesehen zu werden", sagt Hagler. Beim Ars-Electronica-Festival, wo Drohnen als Lichtpunkte im Schwarm zu Visualisierungen am Himmel werden, werde dieses Prinzip vollkommen umgedreht. (pum, 7.9.2019)