Die Wiener Künstlerin Johanna Kandl wohnt mit ihrem Mann Helmut in einem alten Bauernhaus in Floridsdorf. Durch eine gewiefte Parifizierung haben sie es auf ewig dem Immobilienmarkt entzogen.

"Großjedlersdorf war einst ein richtig traditionelles Bauerndorf. Die Grundstücke hier waren als Weinviertler Bauernhöfe angelegt; vorn ein schmaler Wohntrakt, gefolgt von Ställen, Scheunen und Wirtschaftsräumen, dahinter üblicherweise ein schmales, ewig langes Ackerland. Nicht selten erstreckten sich die Lüssen einige hundert Meter weit nach hinten.

Johanna und Helmut Kandl in ihrer vor wenigen Jahren sanierten "Oase" in Floridsdorf.
Foto: Lisi Specht

Ich stamme aus einer Bauernfamilie. Wir sind alle miteinander verwandt, wir sind eine Art Aborigines-Kolonie, und irgendwie schauen wir uns alle ein bisschen ähnlich.

Irgendwann in den 60er-Jahren stand dann eine dringende Sanierung an, und meine Mutter hat die heldenhafte Tat vollbracht, das Haus nicht mit Eternit-Schindeln zu verkleiden, wie das damals alle gemacht haben, sondern den Stuck und den Putz zu sanieren und das Haus in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild zu belassen. Ich danke ihr dafür! Vor ein paar Jahren führte ein weiteres Mal kein Weg an einer Sanierung vorbei. Wir sind Künstler und hatten nicht genug Geld dafür, also haben wir beschlossen, einen Teil des Hofes im Eigentum zu behalten und zu vermieten und einen anderen Teil zu verkaufen, damit wir die Sanierung finanzieren können. Eine Million Euro ist ja nicht nix!

Viele ihrer Möbel haben die Kandls in Kellern oder auf Dachböden gefunden.
Fotos: Lisi Specht

Von 2013 bis 2015 haben wir das Gehöft mit vielen Anekdoten, die im Rückblick betrachtet lustig sind, die uns aber damals den Schlaf und den Verstand geraubt haben, umgebaut und in Schuss gebracht. Und wir haben etwas ziemlich Gerissenes gemacht, einen Präventivschlag für die kommenden Jahrhunderte! Wir haben das Grundstück auf mehrere Teilgrundstücke aufgeteilt und parifiziert – und zwar auf so kleinteilige, verwinkelte und ineinander verzahnte Weise, dass das Gebäudeensemble für jeden Investor schlichtweg unattraktiv ist. Die Investoren in der Gegend sind echte Füchse. Wölfe! Auf diese Weise bleibt zumindest dieses eine Objekt verschont.

Wir wohnen hier wie in einer Oase: Vor dem Haus ist eine winzige Wallfahrtskirche, Klein-Maria-Taferl, die umliegenden Häuser sind zum Teil sehr hübsch, aber rundherum ist das Floridsdorfer Grauen. Die Brünner Straße ist echt keine Augenweide. Eine Katastrophe, dass man ein Stück Stadt so verkommen lassen kann!

Wir wohnen hier mit 20, 25 anderen Leuten am Hof, aufgeteilt auf zehn bis zwölf Wohnungen mit insgesamt 1000 Quadratmetern. Mit manchen sind wir befreundet, andere sind einfach nur Nachbarn, aber mit allen verstehen wir uns gut. Es ist eine richtig schöne Gemeinschaft! Und unsere beiden Waschmaschinen sind permanent in Betrieb.

Den 50er-Jahre-Luster über dem Esstisch hat Johanna Kandl eigenhändig aus einem Bauschutt-Container gerettet.
Fotos: Lisi Specht

Fast alle Möbel haben wir irgendwo gefunden, in Kellern oder auf Dachböden. Es ist ein Sammelsurium aus herrenlosem Gut. So wie der große 50er-Jahre-Luster über unserem Esstisch. Ich bin vor Jahren einmal auf der Zweierlinie spazieren gewesen, und auf der Straße stand ein Container voller Bauschutt. Ich bin da sofort reingestiegen, ich bin ja eine Container-Shopperin, und da lag dieser wunderschöne Luster drin. Die perfekten Möbel könnten wir uns eh nicht leisten. Das Atelier ist überhaupt aus recycelten Baumaterialien gefertigt. Zwei eingebaute Fenster stammen aus dem abgerissenen Palast der Republik im DDR-Berlin.

Und so leben wir in einer gebastelten Welt, in der wir finden, kombinieren, lackieren, zusammenschrauben und dann am Ende noch einen Nagel einschlagen, damit das Ganze irgendwie hält. Bei uns wird alles sofort zur Werkstatt. Wir haben sogar schon einmal einen Tisch von Egon Eiermann als Werkbank genutzt. Wir kommen in die Möbelhölle!" (Wojciech Czaja, 9.9.2019)