Auf dem Balkon wünschen sich viele Menschen Privatsphäre. Neugierige Blicke von Nachbarn und Passanten sind nicht erwünscht.

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Kaum sind die ersten Bewohner eingezogen, werden die Balkone in Besitz genommen: Erst wird ein kleiner Tisch draußen aufgestellt, dann die ersten Pflanzen. Rasch folgt ein Sichtschutz, um neugierige Blicke durch das Balkongeländer hindurch zu verhindern. Oft sind es Schilfmatten, die am Geländer befestigt werden.

Bei manchen Architekten und Bauträgern kommt da keine Freude auf. Durch den Sichtschutz, so die Befürchtung, wird das einheitliche Erscheinungsbild des Hauses zerstört. Einen mutigen Vorstoß, um den Schilfmatten Einhalt zu gebieten, wagt das Wiener Immobilienunternehmen JP Immobilien bei seinem Projekt Renngasse 10.

Im Wohnungseigentumsvertrag ist festgelegt, dass in puncto Balkonmodifizierung sämtliche Maßnahmen und Handlungen verboten sind, die das Gesamterscheinungsbild des Gebäudes beeinträchtigen. Nicht gestattet ist beispielsweise das Aufstellen von Blumenkisten, Zierpflanzen, großen Kästen und das Aufhängen von Wäsche. "Es geht um die Wahrung des ästhetischen Gesamteindruckes", wird argumentiert. Bei anderen Projekten gebe es aber weniger strikte Vorgaben, betont man bei JP Immobilien.

Keine Chance vor Gericht

Ob das die Bewohner des soeben fertiggestellten Wohnhauses davon abhalten wird, ihre Balkone in Besitz zu nehmen, ist fraglich. Die ersten Balkonmöbel wurden zumindest schon aufgestellt. Juristen glauben ohnehin nicht, dass eine derart strikte Regelung vor Gericht halten würde. Der Wohnrechtsexperte Christoph Kothbauer geht davon aus, dass die Rechtsprechung "sehr argwöhnisch" auf einen Versuch reagieren würde, derart in die Freiheiten des Wohnungseigentümers einzugreifen.

Denkbar ist für ihn aber, dass vorab beispielsweise festgelegt wird, in welcher Farbe ein Sichtschutz am Balkon in Ordnung geht. Allerdings müsse es immer auch möglich sein, für eine andere Farbwahl die Zustimmung der anderen Bewohner einzuholen. "Und man hat immer auch das Recht, die fehlende Zustimmung der anderen vor Gericht ersetzen zu lassen", so Kothbauer. Diesen Vorgang könne man nicht von vornherein verbieten.

In derartigen Regelungen im Wohnungseigentumsvertrag glaubt Kothbauer eher eine "psychologische Strahlkraft" zu erkennen. Damit wolle man Käufern die Befürchtungen nehmen, dass sich ihre Nachbarn zu viele Freiheiten herausnehmen. Auch wenn sie damit zugleich ihre eigenen einschränken.

Sichtschutz mitdenken

Der Sichtschutz am Balkon beschäftigt auch andere Bauträger. Die Schilfmatte ist in den meisten Fällen dennoch kein Problem, sagt Sandra Bauernfeind, Wohnimmobilienexpertin bei EHL Immobilien. Bei der Haring Group gibt es in den Wohnungseigentumsverträgen Regelungen, was beispielsweise Sonnenschutzmaßnahmen angeht.

Mit Sichtschutzmatten an Balkonen habe es in der Vergangenheit immer wieder Probleme gegeben, erzählt Geschäftsführerin Denise Smetana. "Einerseits schaut es fürchterlich aus, wenn an jedem zweiten Balkon irgendetwas vorgehängt ist", sagt sie. "Andererseits ist der Sichtschutz natürlich ein berechtigtes Anliegen der Bewohner."

Die Haring Group, aber auch andere Bauträger bedenken das daher immer öfter schon in der Planung und wählen ein Balkongeländer, das mehr Sichtschutz bietet. "Dann stellt sich das Problem nicht", sagt Smetana.

Im Wohnalltag verläuft die Balkongestaltung meist ohnehin unkompliziert – egal, was vertraglich festgelegt wurde. "Die Leute machen einfach", so Kothbauer. (Franziska Zoidl, 8.9.2019)