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Die Netanjahus.

Foto: Reuters/Awad

Sara Netanjahu soll geschrien haben. So laut, dass Zeitungsherausgeberin Miriam Adelson am anderen Ende der Leitung den Hörer zur Seite legte. Nicht nur einmal sei das passiert: Mal sei der Gattin des israelischen Premiers ein Bild von sich in der Zeitung zu klein gewesen. Mal habe ihr ein Artikel nicht gefallen. Immer wieder habe sie sich über die Berichterstattung der Zeitung "Israel Hayom" beklagt. Sie habe Herausgeberin Adelson sogar vorgeworfen, die Schuld zu tragen, sollte der Iran Israel auslöschen – schließlich habe Adelson den Premier nicht besser verteidigt.

Auch der Premier höchstpersönlich soll sich mehrmals beschwert haben. All das berichtete Miriam Adelson, Herausgeberin des Gratisblatts, bei einer Anhörung im Zuge der Ermittlungen gegen Benjamin Netanjahu. Der israelische Fernsehsender Kanal 12 hatte am Donnerstagabend geleakte Auszüge aus der Anhörung veröffentlicht.

Das Verhältnis der Netanjahus zu den Medien ist von jeher ein schwieriges: Seit Jahren schimpft der Premier auf sie, wirft ihnen vor, einseitig zu berichten und seine Familie zu verunglimpfen. Interviews gibt er so gut wie gar nicht, setzt stattdessen auf soziale Netzwerke, wo er seine Botschaften ungefiltert vermitteln kann. Ein Medium aber galt bislang als Ausnahme und als besonders Netanjahu-freundlich: "Israel Hayom", die Gratiszeitung, die der amerikanische Kasinomilliardär und bisherige Netanjahu-Unterstützer Sheldon Adelson im Jahr 2007 auf den israelischen Markt brachte. Heute ist sie die auflagenstärkste Zeitung des Landes. Den Netanjahus reichte das offensichtlich nicht.

Schwieriges Verhältnis zu den Medien

Es wäre bei weitem nicht der einzige Fall, in dem die Netanjahus die Berichterstattung kritisieren oder gar zu beeinflussen versuchen. Auch in zwei der drei Korruptionsfälle, für die Netanjahu demnächst angeklagt werden könnte, geht es um sein Verhältnis zu den Medien. In einem der Fälle wird Netanjahu vorgeworfen, mit dem Herausgeber der Zeitung "Yedioth Ahronoth", Noni Mozes, über eine weniger kritische Berichterstattung verhandelt zu haben. Netanjahu wollte ihm im Gegenzug das Konkurrenzblatt "Israel Hayom" vom Hals halten. Im anderen Fall soll Netanjahu als Kommunikationsminister dem Telekomriesen Bezeq rechtliche Vergünstigungen gewährt zu haben. Dafür soll das zum Konzern gehörende Medium "Walla" positiv über ihn berichtet haben.

Kanal 12 hatte in den vergangenen Wochen immer wieder Details der Ermittlungen und der Anhörungen veröffentlicht. Und ist nun selbst zur Zielscheibe des Premiers geworden: Gut zwei Woche vor der Wahl hat Netanjahu den Sender in einem Video auf Facebook aufs Schärfste attackiert, sprach gar von einem "Angriff auf die Demokratie". Der für diese Berichterstattung zuständige Journalist Guy Peleg wurde daraufhin in den sozialen Netzwerken so radikal angegriffen, dass er mittlerweile Personenschutz erhalten hat.

Boykottaufruf

"Antisemitisch" nannte Netanjahu außerdem die Serie "Our Boys", die von der Mediengruppe Keschet mitproduziert wurde, zu der Kanal 12 gehört. Netanjahu rief deshalb sogar zum Boykott des Senders auf. In der Serie geht es unter anderem um den Fall eines arabischen Burschen, der im Sommer 2014 von extremistischen Israelis ermordet wurde, nachdem drei israelische Jugendliche von palästinensischen Terroristen entführt und getötet worden waren. Die Vorfälle ereigneten sich damals wirklich. Der Premier kritisierte jedoch, man habe sich in der Serie zu sehr auf den Fall des getöteten arabischen Burschen und zu wenig auf die Entführung der israelischen Jugendlichen fokussiert.

In Israel sind nun viele über die harschen Angriffe des Premiers erschüttert: Sogar Präsident Reuven Rivlin schaltete sich indirekt ein, indem er dazu aufrief, die Anstachelungen und persönlichen Angriffe vor der Wahl zu ignorieren. "Hört nicht auf jene Stimmen, die den Diskurs radikalisieren wollen, im rechten wie im linken Lager." Kommentatoren verwiesen außerdem auf Netanjahus Hetze Mitte der 90er-Jahre gegen den damaligen Premier Jitzchak Rabin, weil der mit den Palästinensern die Oslo-Vereinbarungen ausgehandelt hatte. Für Netanjahu glich das einem Verrat, er attackierte den Premier scharf – wenig später wurde der von einem jüdischen Extremisten nach einer Friedenskundgebung in Tel Aviv erschossen.

Kanal 12 und der Journalist Guy Peleg haben sich von Netanjahus Angriffen und den Drohungen bislang nicht einschüchtern lassen – und am Donnerstag die jüngsten Informationen über die Anhörung von Miriam Adelson veröffentlicht. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 6.9.2019)