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Migräne ist die Hölle, ein Tagebuch – egal ob digital oder analog – kann helfen, sie besser zu verstehen.

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Bernadette Redl beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. Manchmal ist sie selbst krank oder hat Schmerzen und erzählt hier, was sie dagegen tut.

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Sie kommt aus dem Nichts, meist an Tagen, an denen alles ruhig und scheinbar ist, wie immer – so wie letzten Samstag, als mich an einem gemütlichen Abend mit der Familie eine Migräneattacke mit Aura überkam.

Erst ist mein Sichtfeld getrübt, verschwommen oder hat dunkle Flecken. Dann kommt die Lichtempfindlichkeit, schon die kleinste Lampe ist dann nicht auszuhalten. "Findest du das Licht auch so hell?", höre ich mich noch zu meiner Schwester sagen. Dann setzen schon die Bewusstseins- und Wahrnehmungsstörungen ein. Dem Gespräch kann ich nicht mehr folgen, den Inhalt einer Nachricht auf meinem Handy nicht mehr erfassen. "Ist das Deutsch, was da steht?", denke ich mir.

Spätestens jetzt ist klar, ich bin schon mittendrin in der Aura. So heißt das neurologische Symptom, auf das zumeist die Kopfschmerzen folgen. So auch bei mir. Wobei: nicht immer. Denn wenn ich schnell genug bin, kann ich das Schlimmste mit Paracetamol abwenden. So auch letzten Samstag.

Mit 500 Milligramm intus flüchtete ich ins dunkle Schlafzimmer, spürte noch, wie die rechte Gesichtshälfte und der Arm taub wurden – keine Sorge, das kenne ich schon von früheren Attacken –, und schlief nach einer Stunden benommen ein. Das Paracetamol hat Wirkung gezeigt.

Viele Fragen

Doch am nächsten Tag folgt die Ursachensuche, wie nach jeder Attacke. Eigentlich war doch alles gut! Kein stressiger Tag, kein ungewöhnliches Essen, kein plötzlicher Wetterumschwung.

Im Idealfall schreiben Migränepatienten genau auf, was rund um einen Anfall passiert. Ich mache das zwar, doch meist ist der Schmierzettel beim nächsten Mal wieder irgendwo verloren gegangen.

Damit ist jetzt Schluss, denn seit dieser Woche habe ich für meine Migräne eine App. Sie zeichnet den Kopfschmerz auf und alles, was damit zu tun haben könnte. Wann ging die Attacke los? Wie fühlte sie sich an? Wo genau saß der Schmerz? Welche Medikamente habe ich genommen? Was hat geholfen, die Attacke zu lindern? Und so weiter.

Ich tippe alles wahrheitsgemäß in mein Smartphone. Ist eine Option nicht automatisch vorgegeben, kann ich sie selbst erstellen. Bei den Symptomen füge ich "Kribbeln in den Armen" und "Bewusstseinsstörungen" hinzu und wähle ansonsten aus, unter welchen Symptome ich gelitten habe.

Hilfe beim Arzt

Dazwischen will die App auch wissen, von welchen Aktivitäten die Migräneattacke mich abgehalten hat. Das könne meinem Arzt helfen, so wird mir erklärt, wenn ich ihm später meine Aufzeichnungen zeige. Er kann dann besser einschätzen, ob die Behandlung, die er verschreibt, wirksam ist.

Ich fülle außerdem aus, wo ich war, als die Attacke begonnen hat, und welche möglichen Auslöser es gab. Stress, Alkohol, Allergien, Hormonschwankungen oder starke Gerüche stehen zur Auswahl. Zuerst erscheint mir nichts davon für mich zutreffend.

Doch dann will die App wissen, wann und wie viel ich in den Nächten vor Samstag geschlafen habe. Und da wird mir klar, eine Umstellung im Schlaf-Wach-Rhythmus muss der Auslöser gewesen sein. In der Woche davor hatte ich drei Frühdienste, der Wecker klingelte um vier Uhr. Am Samstag schlief ich dafür viele Stunden länger.

Guter Überblick

Ich schreibe meine Vermutung ins Notizfeld, um sie bei den nächsten Attacken zu überprüfen. Und ich nehme mir vor, meine Schlafzeiten, Mahlzeiten und andere Faktoren ab jetzt regelmäßig in die App einzutragen. Schlafmuster erkennt die App übrigens auch automatisch, wenn ich das will. Ebenso wie Wetterumschwünge. Sie erinnert mich zudem an die Einnahme von Medikamenten und Arzttermine.

Und das Beste daran: Nach mehreren eingetragenen Attacken werden zusammenfassende Berichte erstellt, die mir zu meinen Symptomen und den häufigsten Triggern einen Überblick geben – und mit jedem Mal aussagekräftiger werden. Im Idealfall so sehr, dass ich migräneförderndes Verhalten und Auslöser beim nächsten Mal gleich ganz vermeiden kann. (Bernadette Redl, 8.9.2019)