Ich habe einen Toast mit Salami auf Instagram gepostet. Es sind die einfachen Dinge des Lebens, denen ich den Vorzug gebe. Mein Brot kam bescheiden an. Obwohl zu Beginn des Jahres ein einfaches Ei 52 Millionen Likes auf Instagram abkassiert hat. Und obwohl ich vor kurzem bei einem Food-Styling-Workshop zugegen war.

Die Food-Inszeneure Eva Fischer und Cliff Kapatais.
Foto: Heribert Corn/www.corn.at

Vielleicht hätte mein Brot von "Parémi", "Joseph Brot" oder einer anderen Boulangerie-Boutique sein sollen. War es aber nicht. Es handelte sich um einen Buttertoast von Ölz. Das Foto wurde mit 64 Likes belohnt. Was ich wohl für ein Huhn in der Schweinsblase bekommen hätte? Nicht, dass ich ein solches zubereiten könnte.

Vergangenen Samstag zu Mittag rückte ich also zum "Food Styling and Photography Workhop" aus. Job ist Job! Wenn ich mir Food-Design-technisch etwas antue, greife ich zu meiner Suppenkelle, schöpfe damit Reis und platziere ihn so am Teller, dass er aussieht wie ein Iglu. Für meine Tochter, die keine Erbsen mag, setze ich an die Spitze dieses Gupfes eine Erbse. Sieht ein bisschen aus wie ein Busen mit einem kleinen Nippel drauf. Die Prinzessin findet das gar nicht lustig. Doch zum Thema Food Porn kommen wir noch.

Der Workshop findet im Studio von Alexandra Palla im neunten Bezirk von Wien statt. Sie ist unter anderem Gründerin des Austria Food Blog Award, der heuer am 20. September zum achten Mal für Kulinarikblogs, Rezepte und g'schmackige Instagram-Accounts vergeben wird. Außerdem steht die Food-Blog-Pionierfüchsin für die größte Food-Blog-Plattform in Europa. Palla trägt ein Kleid, das aus Geschirrhangerln zusammengenäht ist. Klingt eigenartig, schaut aber nett aus.

Ferner anwesend sind die beiden Food-Fotografie-Auskenner Eva Fischer und Cliff Kapatais sowie drei Teilnehmerinnen, die für die gut vier Stunden 245 Euro hinblättern. Alle drei sind keine Frischlinge auf dem Gebiet. Das bin nur ich. Eine der Frauen ist auf Instagram unter "Tortenzwerg" zu finden.

Wie wird Essen am besten inszeniert?
Foto: Heribert Corn/www.corn.at

Im theoretischen Teil wird über Licht, Kamera, Kulisse, Tricks, Verschlusszeiten und alles Mögliche referiert. Zum Kapitel "Story-Telling" gehören auch Erinnerungen an die Oma. Meine Oma hat meistens Ravioli aus der Dose serviert. Ich liebte sie. Die Ravioli. Die Oma auch.

Werde ich gefragt, ob ich kochen kann, lautet meine Antwort, ich sei in der Lage, eine anständige Mahlzeit auf den Tisch zu bringen: Bolognese, ein Naturschnitzerl, Pesto, Wolfsbarsch in Salzkruste, solche Sachen halt. Zitronenkuchen kann ich auch.

Alexandra Palla vom Austria Food Blog Award, der am 20. 9. in Wien verliehen wird.
Foto: Heribert Corn/www.corn.at

Gänsefüße und Austern

Nein, ich bin kein Foodie. Eine Nudelsuppe zieh ich tausendmal der geeisten Gurkensuppe vor. Sprießen Bärlauch oder Spargel, ist mir das sowas von schnurz. Eine Auster oder eine ganze Schneckenfamilie verputze ich dann und wann ganz gern. So ist es dann auch wieder nicht.

Meine kulinarikaffinen Kolleginnen in der Redaktion testen Dinge wie Tahin, aber unsere Gastroredakteurin hat keine Ahnung, was Pichelsteiner Eintopf ist. Ich wieder habe keinen Tau, was Tahin ist. Steht auf der Speisekarte etwas wie Ptitim oder Quinoa, tippe ich es in Google ein. "Quinoa ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Gänsefüße in der Familie der Fuchsschwanzgewächse." Öha! Ich mache übrigens guten Pichelsteiner Eintopf. Zum Hashtag #Pichelsteinereintopf gibt es 66 Beiträge, zu Quinoa weit über zwei Millionen.

Eva Fischer, Köchin, Bloggerin mit 13.400 Followern auf Instagram (itsfoodtastic), die auch schon ein paar Kochbücher herausgebracht hat, erklärt, sie wolle mit Bildern "Hunger machen".

Ich denke mir: Klar isst das Auge mit. Aber doch nicht das Smartphone! Doch wen wundert's in Zeiten, in denen Wirtshäuser sich mitunter Eatery nennen? Ich bin bei meiner Recherche auch über "Zoodles" gestolpert. Sie wissen bestimmt, was das ist. Ich erst jetzt: Es handelt sich um "spiralisierte Zucchini als Nudelersatz".

Foto: Heribert Corn

Nachdem der theoretische Teil beendet ist, geht es ans Eingemachte. Ziel des Workshops ist es, drei kleine Speisen zu inszenieren. Auf dem Plan stehen: natürlich ein Avocado-Mash (das heißt Gatsch) mit Pfirsichen, Frischkäseaufstrich, Brot (kein Ölz-Toast), Gazpacho und Schokoküchlein. An einer langen Tafel werden aus einem Büschel von Spezialpapieren Hintergründe ausgewählt, die Kameras bereitgestellt, sodann gezupft, gefieselt, gedreht und geschoben. Ferner werden Nasen gerümpft, auf Leitern wird ebenso gestiegen, damit man die Radieschen auch von oben anschauen kann.

Zu den Utensilien an der Tafel gehören neben den Modelmahlzeiten allerlei Kräutlein, Geschirr, das aussieht wie aus dem Töpferkurs, Knetmasse, Scheren, Schnüre, Klebepads, Bürsten, Pinsel, Pinzetten und auf lässig drapierte Geschirrtücher im Provence-Style, die wirken, als wären sie allergisch auf Fettflecken.

Ein hübsches Brot mit grünem Belag, bereit fürs Shooting samt Reflektor.
Foto: Heribert Corn/www.corn.at

Nachdem Cliff Kapatais einem seiner Schützlinge rät, das Messer nicht zu prominent ins Bild zu rücken, erzählt er, dass auch Haarspray zum Mattieren von Besteck zum Einsatz käme. Schließlich gehe es darum, "Technik und Dekoration in Einklang zu bringen". Klar. Das soll er mal mit meinem Pichelsteiner Eintopf probieren. Da gibt's nichts zu drapieren. Rein in die Schüssel, Löffel raus. Schnabel auf!

Hier in Pallas Studio schaut das anders aus. Sehr hübsch und sehr sauber. Die Speisen auf der Tafel und in den herumliegenden Kochbüchern erinnern an Blumenläden in Pariser Gassen, frisch gemachte Betten, Nachtcreme-Werbungen und Setzkästen in Mädchenzimmern.

Die Menschen, die ihre Freude an derlei Bildern haben, träumen wahrscheinlich von einem Picknick in einem Pappelwäldchen irgendwo in der Toskana. Doch der hier inszenierten Sinnlichkeit fehlt es an ein paar Dimensionen: an tränenden Augen beim Zwiebelschneiden, an Fingern, die nach Knoblauch stinken, an scheppernden Töpfen, an denen man sich schon mal die Finger verbrennt.

Kurz: an wahrer Lust, in das Zeug reinzubeißen. Also an H-U-N-G-E-R. Es ist ... wie soll man sagen? Zu glattgebügelt, dafür passend in eine Zeit, in der man es gern faltenfrei hat. Es fühlt sich an wie ein Alfa Spider Baujahr 1962, der nicht nach Benzin riecht und nach E-Bike klingt. Wie ein Spaziergang im Regen, bei dem man nicht nass wird.

Alexandra Palla, Miss Austria Food Blog Award, meint auf die Frage, ob der ganze Hokuspokus nicht ein wenig übertrieben sei: "Klar ist das Ganze auch ein Hedonismusthema, das mitunter übertrieben wird. Es geht um eine Sehnsucht nach Natürlichkeit in einem Zeitalter der Hyperindustrialisierung. Wir sprechen einerseits von einem Massenprodukt, andererseits von Nischen, von Bildern, in denen Leute Rüben in Hütten über offenem Feuer rösten. Das Food-Foto steht für, 'Was ich esse, das bin ich'." Demnach bin ich also ein Toastbrot von Ölz.

Wie bringt man im besten Fall den Magen zum Knurren?
Foto: Heribert Corn

Hunger im Sinn von "satt werden" sei nicht das Thema, erklärt Palla. Sie meint, dass in Österreich etwa 50 Food-Blogger von ihrem Business leben können und dass es bei der Sache auch darum geht, wie sich die Akteure mit Blog, Instagram, Kochbüchern etc. ein Medienunternehmen aufbauen können. Der Food-Blog-Award-Intendantin geht es um Vernetzung, kulinarische Einordnung, Reflexion, Eigenständigkeit und natürlich um eine Botschaft. "Das Werkzeug als Selbstdarstellung ist schon okay, aber die Botschaft sollte hinterfragt werden." Die Botschaft lautet unter anderem: regionale Produkte verwenden, saisonale natürlich auch. Haben wir schon einmal gehört. "Sie dürfen nicht vergessen, im Gegensatz zu anderen, klassischen Medien bekommt der Blogger sein Feedback sofort. Es ist der Nutzer, der dieses Business reguliert."

Das weiß auch Eva Fischer, die seit vier Jahren als Fotografin, Bloggerin und Köchin selbstständig ist und auch in Diensten von Unternehmen wie Sonnentor oder DM steht. Sie hat mir übrigens ihr Kochbuch mit dem Titel Pizza ohne Reue geschenkt. "Pizza ohne Schuld und Sühne" hätte ich als Titel origineller gefunden.

Wassermelone vor der Scham

Fischer erzählt beim Heißmachen der Pfirsiche, dass es am schwierigsten sei, Eis, Bier und alles Breiartige zu fotografieren. Ihr Kollege, Cliff Kapatais, verrät, dass die Geschwindigkeit eines der Hauptkriterien sei. "Bei Nudeln oder einem Steak muss man die Sache in einer halben Minute im Kasten haben." Auf seiner Website www.pixelcoma.at gibt's unter anderem den Bereich "Food Porn". Betrachten wir es objektiv: Da gibt es weibliche Nackedeis, deren Scham von einem Stück Wassermelone oder einer Orange bedeckt wird, einen Frauenmund, in den sich ein ordentliches Stück Tintenfisch schlängelt, glitschige Zungen, an denen ein sehr roter Lolli pickt. Food Porn also. Vielleicht hätte ich meinen Salamitoast neben den Bauchnabel der Liebsten drapieren sollen. Also wenn Essen wirklich der Sex des Alters ist, bin ich weit jünger, als dies mein Geburtsdatum vermuten ließe.

Nach drei Stunden, noch bevor es "Action" für die Schokoküchlein heißt, verlasse ich das Set. Dem STANDARD-Fotografen steht der Sinn nach einer Leberkässemmel. Und ich? Ich hab noch immer keinen Hunger. Auf dem Weg nach Hause denke ich mir: Es tut niemandem weh, wenn Menschen ihr Essen fotografieren und auf Social Media veröffentlichen, wenn manche davon leben und andere diese Bilder verzücken. Allein unter dem Hashtag #Foodie finden sich auf Insta mehr als 132 Millionen Beiträge.

Foto: Heribert Corn

Charles Spence, Professor für Experimentalpsychologie an der Universität Oxford, meint auf meine Anfrage: "Bevor wir ein Essen kosten, sehen wir es. Und dieser Eindruck erweckt Erwartungen. Das bestätigen auch die Forschungen der Neurowissenschaft. Die Zeiten des Gastro-Porns brachen mit den unzähligen Kochshows an. Sehen wir Essen, reagiert unser Hirn einzigartig. Das wissen auch viele Profiköche. Über die Jahre wurden der Bereich der Food-Fotografie und die Inszenierung von Mahlzeiten immer wichtiger." Es soll auch Zeitgenossen geben, die Zimmerpflanzen fotografieren. Und Katzen. Jede Menge Katzen. Aber das ist eine andere Geschichte. Und da wäre noch etwas. Irgendetwas scheine ich mit meinem Toastbrot richtig gemacht zu haben. Eine "Likerin" meinte, es sähe sehr fancy aus. Und das ganz ohne Haarspray! (Michael Hausenblas, 7.9.2019)