Da Canan Kaftancıoğlu keine Reue gezeigt habe, wurde die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.

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Ankara – Die Istanbuler Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) ist am Freitag zu fast zehn Jahren Haft verurteilt worden. Ein Gericht der türkischen Metropole befand Canan Kaftancioglu wegen alter Tweets unter anderem der "Terrorpropaganda" und der "Präsidentenbeleidigung" schuldig, wie ihre Partei mitteilte. Die Haftstrafe lautet demnach auf neun Jahre, acht Monate und 20 Tage.

Bei einem Auftritt vor hunderten Anhängern verurteilte sie die Entscheidung als politisch motiviert."Die Entscheidungen werden nicht von den Gerichten getroffen, sondern im (Präsidenten)-Palast", sagte Kaftancioglu vor dem Istanbuler Justizgebäude Caglayan. "Dieser Prozess sollte Istanbul und jene bestrafen, die zum Sieg des Volkes in Istanbul beigetragen haben." Sie werde niemals ihre Überzeugungen aufgeben und sich nicht einschüchtern lassen, sagte die streitbare Oppositionspolitikerin auf einer Bühne, die ihre Partei aufgebaut hatte. Schon bei den ersten Anhörungen hatte Kaftancioglu das Verfahren als "illegitim" und "politisch" verurteilt.

Keine Reue

Ungeachtet der Kritik verurteilte das Gericht Kaftancioglu nun zu einer Strafe von knapp zehn Jahren. Da sie keine Reue gezeigt habe, wurde die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, wie die CHP mitteilte. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass Kaftancioglu nach einer vorherigen Gerichtsanhörung ein kritisches Gedicht des linken Dichters Nazim Hikmet verlesen hatte.

Kaftancioglu war unter anderem angeklagt wegen eines Tweets zum Tod eines 14-jährigen Jungen, der während der Gezi-Proteste im Sommer 2013 von einem Tränengaskanister der Polizei am Kopf getroffen worden war. In einem anderen Tweet hatte sie einen Vertreter der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zitiert. Dies wurde von dem Gericht nun als "Propaganda für eine Terrororganisation" gewertet.

Provokation

Die streitbare Politikerin mit dem markanten Kurzhaarschnitt provoziert schon lange viele Konservative mit ihrem selbstbewussten Auftreten und ihren politischen Ansichten. Als die 47-jährige Gerichtsmedizinerin Anfang 2018 zur CHP-Vorsitzenden in Istanbul gewählt wurde, bezeichnete Erdogan sie als "Terroristin". Die Anklage wegen ihrer alten Tweets fiel mitten in den Wahlkampf für das Bürgermeisteramt in Istanbul. (APA, 6.9.2019)