Der Wahlkampf 2017 ist durch die Silberstein-Affäre als schmutzigster Wahlkampf in die jüngere Geschichte eingegangen. Die heurige Auseinandersetzung aber erweist sich bisher als schmutziger. Sie wurde ausgelöst von einem Video, das zwei Spitzenpolitiker von ihrer schlechtesten Seite zeigt, und bietet seither angeblich gefälschte E-Mails, Tricks zur Vertuschung großer Parteispenden, skurril geschredderte Kanzleramtsfestplatten, offenen Postenschacher in staatsnahen Unternehmen, regelmäßig rechtsextreme Einzelfälle und nun einen mutmaßlichen Hackerangriff auf die Zentrale der größten Parlamentspartei.

Je nachdem, wo sie politisch stehen, ziehen Beobachter aus all diesen Nachrichten entweder den Schluss, dass Österreich unter Türkis-Blau in einem Sumpf der Korruption versunken ist, oder den, dass kriminelle Kräfte und ihre naiven Handlanger erfolgreiche Parteien mit allen Mitteln anpatzen wollen. Dass all diese Skandale Stimmen in größerem Umfang verschieben, lässt sich in den Umfragen allerdings nicht erkennen.

Die Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl Sebastian Kurz, Pamela Rendi-Wagner, Norbert Hofer, Beate Meinl-Reisinger, Peter Pilz und Werner Kogler im Rahmen einer Ö1-Klartext-Diskussion.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Das ist nicht weiter schlimm. Natürlich kann man nach Ibiza, der Casinos-Affäre und Hortengate zum Schluss kommen, dass weder ÖVP noch FPÖ dieses Land in Zukunft regieren sollten. Aber Österreich war auch in den vergangenen beiden Jahren kein besonders korruptes Land – zumindest nicht im internationalen Vergleich. Neben all diesen aufregenden, aber oft aufgebauschten Turbulenzen finden heuer jedoch mehr und bessere Sachdiskussionen statt als in früheren Wahlkämpfen. Und diese bieten sich als Grundlage für eine intelligentere Wahlauseinandersetzung an.

Ernsthaftere Debatten

Das beginnt bei den neuen Regeln für Parteispenden, wo mit etwas Verzögerung nun ernsthaft diskutiert wird. Bei der Pflegefinanzierung treffen alternative Konzepte aufeinander, die auch unterschiedliche Weltanschauungen widerspiegeln. Die SPÖ hat mit ihrem Erbschaftssteuervorstoß die Frage der Vermögensbesteuerung wieder aufs Tapet gebracht. Bei der Migration und Integration haben sich die Wogen, die 2017 noch hochgingen, etwas geglättet. Die Debatten sind leiser als in vergangenen Jahren, aber auch deutlich ernsthafter – zwischen einer FPÖ, die stolz auf ihre Abschottungs- und Abschiebungspolitik ist, und all jenen, die sich davon mehr oder weniger distanzieren. In Trippelschritten tut dies sogar die ÖVP.

Vor allem aber spielt der Klimaschutz jene Hauptrolle, die er schon in früheren Jahren hätte einnehmen sollen. Grüne und Neos bekennen sich klar zur CO2-Steuer, FPÖ und ÖVP beschränken sich auf Klimamaßnahmen, die Verbraucher und Unternehmen nichts kosten, und die SPÖ steht irgendwo dazwischen – mit einer sanften Tendenz zur Schmerzfreiheit. Hier haben Wähler in einer Schicksalsfrage eine echte Wahl.

Zu wenig über Europa und Pensionen

Zu wenig wird über Europa geredet, wobei hier viel Pulver im EU-Wahlkampf verschossen wurde. Die Zukunft des Pensionssystems bringen nur die Neos auf, die anderen legen den Senioren lieber etwas drauf. Die Themen Bildung und Forschung gehen trotz unterschiedlicher Konzepte in den Debatten etwas unter. Aber seit dem Wahlkampf 2006 wurde nicht mehr so sachlich diskutiert wie diesmal.

Es liegt an den Medien sowie an den Bürgerinnen und Bürgern, sich statt aufs Getöse auf die wesentlichen Sachfragen zu konzentrieren – um die es am 29. September wirklich geht.(Eric Frey, 6.9.2019)