Pedro Sánchez hat ein seltsames Verständnis von Verhandlungen. Nach seinem Wahlsieg im April ließ der Sozialist Monate verstreichen, bevor er mit der linksalternativen Partei Unidos Podemos (UP) Kontakt aufnahm. Dann hieß es, eine Koalition sei nicht möglich, da er UP-Chef Pablo Iglesias nicht traue. Als sich dieser zurückzog, war wieder Funkstille, bis Sánchez kurz vor der Abstimmung Ende Juli ein Angebot machte, das UP als unzulänglich ablehnte. Sánchez ließ wieder einen Monat verstreichen, um dann noch weniger zu offerieren als im Juli.

Bild nicht mehr verfügbar.

Der spanische Premier Pedro Sánchez taktiert, damit ein mögliches Scheitern der Verhandlungen UP und nicht ihm angelastet wird.
Foto: REUTERS/Sergio Perez

Der Sozialist wähnt sich am längeren Hebel. Denn für Neuwahlen im November sagen die Umfragen den Sozialisten Zugewinne auf Kosten von UP vorher. Sánchez taktiert, damit ein mögliches Scheitern der Verhandlungen UP und nicht ihm angelastet wird.

Doch das Taktieren birgt große Gefahren: Spaniens Wirtschaft zeigt erste Anzeichen der Stagnation, die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Bei der Wahl im April stieg die Beteiligung aus Angst vor einer Rechtsregierung. Im November könnte so mancher Linker aus Frust zu Hause bleiben, während das rechte Wählerspektrum hochmotiviert bleibt.

Anstatt gestärkt aus der Wahl hervorzugehen, könnte sich Sánchez auf der Oppositionsbank wiederfinden, während die rechtsextreme Vox mitregiert. Die Menschen, die im April – egal ob für die Sozialisten oder für UP – gegen diese Gefahr stimmten, haben Besseres verdient.(Reiner Wandler, 6.9.2019)