Pedro Sánchez (li.) will lediglich ein politisches Abkommen mit Podemos, deren Chef Pablo Iglesias (re.) fordert hingegen eine Koalition.

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Spanien bleibt weit von der Bildung einer neuen Regierung entfernt. Nach dem gescheiterten Versuch Ende Juli, eine Parlamentsmehrheit zustande zu bekommen, setzten sich am Donnerstag die Unterhändler von Pedro Sánchez' sozialistischem PSOE und die der linksalternativen Unidos Podemos (UP) erstmals wieder an einen Tisch. Nach knapp fünf Stunden gingen sie auseinander – und hatten lediglich vereinbart, weiterhin den Kontakt aufrechtzuerhalten.

Während Sánchez auf eine rein sozialistische Regierung und ein politisches Abkommen mit den Linksalternativen setzt, will UP eine "umfassende Verhandlung", die Programm, aber auch eine gemeinsame Besetzung des Kabinetts beinhaltet. Sánchez muss bis spätestens 23. September vom Parlament zum Premier gewählt werden. Wenn nicht, müssen die Spanier am 10. November zum vierten Mal in vier Jahren wählen.

Sánchez, der im Juni 2018 mithilfe von UP und kleineren Formationen aus dem Baskenland und Katalonien per Misstrauensvotum an die Macht gekommen war, gewann die vorgezogenen Neuwahlen im April mit 123 der 350 Abgeordneten. Auch mit den 42 Sitzen von UP wäre dies noch keine absolute Mehrheit, doch im zweiten Wahlgang, in dem mehr Ja- als Nein-Stimmen erforderlich sind, würde es reichen.

Rechte in der Minderheit

Baskische sowie katalanische Abgeordnete haben bereits die Enthaltung zugesagt. Und was am wichtigsten wäre: Die Summe aus PSOE und UP ist größer als die der drei Rechtsparteien, des konservativen Partido Popular, den rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Vox, die gemeinsam auf 150 Sitze kommen.

Was rechnerisch aufgeht, ist nicht leicht zu bekommen. UP fordert eine Koalition, Sánchez wollte aber nicht mit UP-Chef Pablo Iglesias als Vizepremier regieren. Als Iglesias erklärte, er würde auf einen Kabinettsposten verzichten, ging im Juli das Tauziehen um Ministerposten los. UP waren drei Ministerien zu wenig, sie enthielten sich und setzten auf Nachverhandlungen über den Sommer. Doch Sánchez und seine Unterhändler fuhren in Urlaub, ohne erneut Kontakt aufzunehmen.

Anfang vergangener Woche stellte Sánchez dann 370 Punkte "für eine fortschrittliche Regierung" vor, die als gemeinsames Programm mit UP dienen sollen. Darin nahm er mehrere soziale Punkte der Linksalternativen auf, erteilte aber auch dem Wunsch von UP, im Kabinett vertreten zu sein, eine endgültige Absage. Stattdessen bietet er Posten in staatlichen Einrichtungen sowie "ein Büro, das die Erfüllung der Programmpunkte überwacht", an.

"Zu wissen, wie man verhandelt, bedeutet, verhandeln und nicht aufzwingen zu wollen. Die Lösung liegt immer auf dem Mittelweg", erklärte Sánchez. Bei UP macht, wie nach dem Rückzug von Iglesias im Juli, wieder das Wort "Erniedrigung" die Runde.

"Pedro will allein regieren, damit er freie Hand hat, mit der Rechten zu stimmen, wann er will", befürchtet Iglesias. Angebote wie den Vorsitz im staatlichen Rundfunk RTVE oder im Meinungsforschungsinstitut CIS lehnt er ab. Das Fernsehen solle nicht "wie bisher ein Regierungssender sein", sagt Iglesias und verweist auf sein Programm, das statt Politiker "qualifizierte Führungskräfte" fordert.

Umfragen stützen Sánchez

Angesichts der festgefahrenen Situation werden bei UP Stimmen laut, die vorschlagen, Sánchez ohne Abkommen ins Amt zu wählen, um dann direkt in die Opposition zu gehen. Doch auch das lehnt der Sozialist ab. Er wolle ein Abkommen, keine "Gratisstimmen". In so einem Fall würde er König Felipe VI. mitteilen, dass er als Regierungschef nicht zur Verfügung stehe. Umfragen prophezeien den Sozialisten im Falle von Neuwahlen Stimmengewinne zulasten von UP. (Reiner Wandler aus Madrid, 6.9.2019)