An der ÖBB kommt im Personennah- und -regionalverkehr in Österreich niemand vorbei. Sie bestimmt das Angebot für die Pendlerinnen und Pendler maßgeblich mit.

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So öko das von der SPÖ im Wahlkampf geforderte 365-Euro-Jahresticket pro Bundesland klingt, den Nerv der Pendlerinnen und Pendler in Österreich trifft der Flat-Tarif nur bedingt. Wohl halten laut der am Freitag veröffentlichten Pendler-Umfrage der Arbeiterkammer (AK) 80 Prozent "eine günstige Netzkarte für den gesamten Verkehrsverbund" für sehr sinnvoll. Ob sie den derzeitigen Preis ihres Öffi-Tickets als "günstig" empfinden, darüber gibt die Online-Befragung unter 2053 Personen der Ostregion aber keine Auskunft.

Bis zur letzten Konsequenz durchdacht scheint die Jahresnetzkarte um einen Euro pro Tag und Bundesland – jedes weitere Bundesland würde ebenfalls je einen Euro pro Tag kosten – auch nicht. Denn für Bewohner des Wiener Speckgürtels würden Tickets dadurch empfindlich teurer.

Auswirkungen in Niederösterreich

Ein Pendler aus Perchtoldsdorf, der bis zu Schnell- oder U-Bahnstation mit dem Bus fährt, müsste fürs Einpendeln nach Wien mehr zahlen als derzeit: Die Netzkarten für Niederösterreich und Wien würden sich auf 730 Euro summieren, während sich ein Vollpreisticket im Verkehrsverbund Ostregion (VOR) mit Kernzone-Wien aktuell auf 620 Euro beläuft. Ähnlich verhält es sich mit Klosterneuburg und der Region um Purkersdorf.

Billiger würde unter dem neuen Regime hingegen die tägliche Öffi-Fahrt zwischen Krems und Wien. Von diesem Preisvorteil würden freilich vergleichsweise wenige Menschen profitieren, denn das Pendleraufkommen zwischen der Bundeshauptstadt und der Wachau ist überschaubar.

Ausreichender Bedarf?

Abgesehen davon, dass es in Niederösterreich längst 365-Euro-Netzkarten gibt – die erste Preisstufe im VOR kostet 365 Euro und umfasst jeweils das Gemeindegebiet – ob der Bedarf an aneinanderstoppelbaren Bundesländer-Jahresnetzkarten abseits der Ballungsräume überhaupt gegeben ist, muss bezweifelt werden. Denn laut Pendler-Erhebung der Statistik Austria pendelten 2017 von insgesamt 807.535 Erwerbstätigen in Niederösterreich fast die Hälfte innerhalb ihres Bundeslandes in eine andere Gemeinde aus oder in einen anderen Bezirk.

Die ÖBB hat kein Interesse an der Einführung von Netzkarten.
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Nur knapp 230.000, also rund ein Viertel, pendelte in ein anderes Bundesland aus, allen voran nach Wien. Von 136.950 erwerbstätigen Burgenländern arbeiten rund 100.000 nicht in ihrem Wohnort, davon die Hälfte nicht in ihrem Bundesland.

Verfügbarkeit entscheidet

Bleibt das wichtigste Argument für den Umstieg vom Pkw auf Zug oder Bus: die Verfügbarkeit von Zug und Bus. Denn öffentliche Verkehrsverbindungen außerhalb der Städte sind bisweilen unterentwickelt, insbesondere in Flächenbundesländern wie Niederösterreich geht ohne Auto wenig weiter. Denn das von Bund und Ländern bereitgestellte Öffi-Angebot beschränkt sich überwiegend auf die Hauptverkehrswege. Nur dort gibt es Bus- und Zugverbindungen zwischen Nachbarorten und Bezirksstädten, und das überwiegend nur werktags. An Wochenenden ist Flaute, da geht ohne Auto wenig bis gar nichts.

Das spiegelt sich auch in der AK-Pendlerumfrage wider: Nur sechs Prozent sind mit der Anzahl der Zugverbindungen für den Weg zum Arbeitsplatz sehr zufrieden, je ein Drittel zeigte sich zufrieden und (sehr) unzufrieden. Besonders schlecht schneidet die Nordbahn ab, an der Zugstrecke nach Breclav an der tschechischen Grenze fehlt es an allem, von Pünktlichkeit bis zu ausreichenden Zugverbindungen.

Komplexe Finanzierung

Entsprechend verhalten ist die generelle Nachfrage nach Bundesländer-Netzkarten, sie sei mit Wien nicht ansatzweise vergleichbar, beschied man beim VOR auf Nachfrage. Das liegt freilich nicht nur an der überschaubaren wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Amstetten, Laa an der Thaya und Wiener Neustadt oder Eisenstadt und den dazugehörigen Pendlerströmen, sondern insbesondere an der hochkomplexen Finanzierungsstruktur des Öffi-Verkehrs in Österreich.

Zu einem Grundangebot an Zugverbindungen, das der Bund über das Verkehrsministerium pro Jahr im Volumen von 800 Millionen bis eine Milliarde Euro bereitstellt (die Verkehrsdienstverträge mit ÖBB und Ländern sind in Verhandlung), kommen Buslinien (inklusive Schülerverkehre), die von den Bundesländern beauftragt werden. Planung und Koordination von Zug- und Buslinien wiederum obliegt den Verkehrsverbünden, die Bus und Bahn Taktfahrpläne in den nächsten zehn Jahren verdichten wollen.

Einnahmenverlust befürchtet

Ganz neu ist die Idee einer Jahresnetzkarte pro Bundesland übrigens nicht: In Niederösterreich scheiterte die Einführung um rund 1800 Euro allerdings just an der ÖBB. Der mit Abstand größte Verkehrsträger Österreichs drehte das Ansinnen ab. Begründet wurde dies mit dem drohenden Einnahmenverlust, den diese Netzkarte beim ÖBB-Personenverkehr verursachen würde. (Luise Ungerboeck, 8.9.2019)