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Ein Demonstrant in Hongkong zeigt auf einem Plakat, dass er sich Unterstützung durch den US-Präsidenten erhofft.

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Feuer in der U-Bahn-Station Central.

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Hongkong – Trotz Zugeständnissen der Regierung ist es in Hongkong am Wochenende erneut zu Protesten und Ausschreitungen gekommen. Zehntausende Demonstranten zogen am Sonntag in einem zunächst friedlichen Marsch zum US-Konsulat in der chinesischen Sonderverwaltungszone, um für Unterstützung durch die USA zu werben. Der bekannte Aktivist Joshua Wong wurde unterdessen erneut festgenommen.

Demonstranten trugen die US-Flagge, auch die US-Hymne war zu hören. Die Demonstranten forderten US-Präsident Donald Trump auf, die von China regierte Stadt zu "befreien". Sie forderten überdies, dass der US-Kongress einem jüngst vorgelegten Vorschlag folgt, die Protestbewegung in Hongkong ausdrücklich zu unterstützen. "Ich glaube, abgesehen vom Ausland kann uns niemand wirklich helfen", sagte die 30-jährige Demonstrantin Jenny Chan der Nachrichtenagentur AFP. Die chinesische Regierung verbittet sich allerdings eine Einmischung in ihre Hongkong-Politik.

Brennende Barrikaden

Später errichtete ein Teil der Demonstranten Barrikaden und setzte sie in Brand. Auch Scheiben einer U-Bahn-Station wurden eingeschlagen. Andere Demonstranten warfen Pflastersteine auf Polizisten, die ihrerseits Tränengas einsetzten. Zuvor hatten Demonstranten am Samstag Einkaufszentren sowie U-Bahn-Stationen besetzt, wobei es auch zu Zusammenstößen mit der Polizei kam.

Als Zeichen der Entspannung hatte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam am Mittwoch den Entwurf für ein umstrittenes Gesetz für Auslieferungen nach China komplett zurückgezogen, das die Proteste ursprünglich ausgelöst hatte. Mit dem formellen Rückzug erfüllt Lam eine Hauptforderung der Demonstranten. Aktivisten machten aber deutlich, dass ihnen das nicht reicht. Sie fordern den Rücktritt der Regierungschefin, eine unabhängige Untersuchung übermäßiger Polizeigewalt, die Freilassung von Festgenommenen und eine Rücknahme des Vorwurfs des "Aufruhrs" sowie politische Reformen und wirklich freie Wahlen.

Flughafen streng überwacht

Mit einem Großaufgebot verhinderte die Polizei am Samstag einen neuen Protest am Flughafen. In Erwartung von Demonstranten, die sich über das Internet verabredet hatten, patrouillierten hunderte Bereitschaftspolizisten am Flughafen und in der Umgebung, berichtete eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur. Auch der Verkehr zum Flughafen wurde streng überwacht. Beamte hielten zahlreiche Autos und Busse an, die zum Flughafen unterwegs waren. Stattdessen versammelten sich die Demonstranten in anderen Teilen der Stadt.

Ein Brennpunkt war dabei die U-Bahn-Station Prince Edward, wo wütende Demonstranten am Samstag die Herausgabe von Überwachungsvideos forderten und eine Barrikade anzündeten. Die Polizei reagierte mit Pfefferspray. Nachdem es bereits am vergangenen Samstag an der Station zu Ausschreitungen gekommen war, machten Gerüchte die Runde, dass dabei einige Demonstranten ums Leben gekommen seien. Die Polizei versicherte daraufhin jedoch mehrfach, dass es seit Beginn der Protestwelle Anfang Juni keine Todesfälle gegeben habe. Es handle sich um "böswillige Online-Gerüchte". Dennoch legten Demonstranten Blumen vor der Station nieder.

Merkel hofft auf friedliche Lösung

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel äußerte zum Abschluss ihres China-Besuchs erneut die Hoffnung, dass die Konflikte in Hongkong friedlich gelöst werden. Alles andere wäre aus ihrer Sicht "eine Katastrophe", sagte Merkel am Samstag in Wuhan. Man habe ihr diesbezüglich in Peking "zugehört". Es sei wichtig, immer wieder im Gespräch zu bleiben. Hongkong stehe zwar derzeit im Vordergrund, es gebe in China aber auch noch andere Menschenrechtsfragen.

Am Freitag hatte Merkel in Peking Gespräche mit Ministerpräsident Li Keqiang und Staats- und Parteichef Xi Jinping geführt, in denen auch die Proteste Thema waren. Li äußerte sich zurückhaltend: Die Zentralregierung unterstütze die Hongkonger Regierung dabei, "Gewalt und Chaos" im Rahmen der Gesetze zu beenden.

"Ein Land, zwei Systeme"

Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China in ihrem eigenen Territorium mit einem eigenen Grundgesetz nach dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" autonom regiert. Die Hongkonger stehen unter Chinas Souveränität, genießen aber – anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik – Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Viele fordern auch freie Wahlen, wie es ihnen einst in Aussicht gestellt worden war. (APA, 8.9.2019)