Bruckner-Chefdirigent Markus Poschner ist sich nicht sicher, ob der KI-Musik als Künstler gut finden darf.

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Als "erschütternd und in jeder Beziehung neu" bezeichnete der Chefdirigenten des Bruckner Orchesters Linz, Markus Poschner, seine Erfahrung mit der von einem Künstliche Intelligenz-System vollenden 10. Sinfonie Mahlers. Das Ergebnis, das am Freitag in der "Großen Konzertnacht" der Ars Electronica zu hören war, sei aber erstaunlich gewesen, sagte er am Samstag im Rahmen des AIxMusic-Festivals.

Mit KI-Systemen betrete gewissermaßen "ein neues Instrument die Bühne", sagte Poschner im trotz trüb-kühlem Wetters gut besuchten Augustiner Chorherrenstift St. Florian (OÖ), in dem das als Plattform zur Verbindungen zwischen Musik und Kunst mit KI gedachte mehrtägige Festival am Samstag seinen Hauptschauplatz hatte. Im Rahmen des "Mahler-Unfinished Project" ging es darum, die fragmentarische Sinfonie Gustav Mahlers durch KI fertigstellen zu lassen.

Verblüfftes Orchester

Schon bei der ersten Probe seien er und sein Orchester "verblüfft von der technischen Perfektion" der neu generierten Komposition gewesen. Zuvor war das System mit allerlei musikalischer Information aus Mahlers umfangreichen Schaffen gefüttert worden. Im Ergebnis, das vom österreichischen Komponisten Ali Nikrang unverändert belassen und lediglich orchestriert wurde, und gestern in der Linzer PostCity aufgeführt wurde, hätten sich tatsächlich ähnliche Spannungsverläufe wie in anderen Mahler-Werken ergeben.

Am Ende stand die Erkenntnis, dass die KI-Version durchaus gelungen war, aber auch nichts wirklich Neues zur Komposition beitragen konnte, so Poschner. Es bleibe allerdings die Frage, ob man ohne dem Wissen, dass das Gros der Komposition von einer KI kommt, überhaupt merken würde, dass die Noten nicht von Mahler stammen. Der Prozess habe bei ihm jedenfalls Irritationen ausgelöst, die bis zum Gedanken führten, "ob man das als Musiker überhaupt gut finden darf".

"Viele Leute werden viel herausbringen"

Darüber, dass solche Systeme künftig vermutlich verbreitet eingesetzt werden, waren sich Experten im Rahmen der Diskussion einig. Diese müssten allerdings als "Werkzeuge" für Musiker betrachtet werden, die die künstlerische Arbeit von Komponisten und Songwritern nicht komplett übernehmen werden, gab sich der Computerwissenschafter, -musikpionier und Forschungschef der Musik-Streamingplattform Spotify, Francois Pachet, überzeugt. Füttert ein begabter Künstler ein System mit seinen Ideen, Erfolgen und Fehlschlägen und die KI spuckt dann auf Basis dessen später etwas Interessantes aus, werde er es vermutlich verwenden. Klar sei aber auch: "Es werden unglaublich viele Leute unglaublich viel herausbringen. Das Meiste davon wird aber vermutlich auch Mist sein."

Auch für den "Google AI"-Experten Douglas Eck gibt es "einen Platz für die Maschine im musikalischen Schaffensprozess". Die Systeme würden aber bei weitem nicht alle Bereiche durchdringen und seien "keine ersetzende Technologie". Nach seinem Geschmack müsse man sich mit KI vielleicht auch nicht unbedingt auf Klassik oder Bluegrass-Musik stürzen, sagte Eck. In vielen Gebieten könnte sie aber dabei helfen, mehr musikalische Einzelteile zu produzieren, aus denen ein Künstler dann auswählen und ganze Stücke zusammenbauen kann. Das erinnere sehr an die Arbeitsweise im Electronic- oder Hip-Hop-Bereich.

"Neue Wesen" der Gesellschaft

Denkt man in herkömmlichen Bahnen werde jedoch auch bei all den Gedanken an den moderaten und behutsamen Einsatz von KI in der Musik "irgendetwas auf den Kopf gestellt", konstatierte Poschner. Musik übersetze immerhin sehr diffuse menschliche Gefühle und Gedanken. Tut das nun eine Maschine, löse das ein gewisses Gefühl der Bedrohung aus. Für den Musiker kann eine Maschine demnach vor allem Hilfestellungen geben, man sei aber insgesamt schlecht beraten, eine "intelligente" Maschine zu stark vermenschlichen.

Davor warnte auch die Literaturwissenschafterin und Autorin Sophie Wennerscheid in einer weiteren Diskussion. Das Vorantreiben von KI werde die Gesellschaft zukünftig mit "neuen Wesen" konfrontieren. Der Umgang damit müsse erst gelernt werden. Eine Ausstattung der Systeme mit einer möglichst menschlichen Gefühlswelt, die dann in eine "menschenähnliche Interaktion" damit mündet, sollte jedoch nicht das Ziel sein, sagte Wennerscheid. (APA, 08.09.2019)