Cañamero im Südwesten Spaniens. Die Bewohner wehren sich gegen dort geplante Bergbauwerke, die auf der Suche nach Zink, Kupfer und Gold ihre Oliven- und Feigenhaine zerstören würden.

Foto: Reiner Wandler

Willkommen in meinem Paradies", grüßt Antonio Martín Gómez. Der 70-jährige Bildhauer und Töpfer lebt in einer Art Oase, weit außerhalb des Dorfes Cañamero im südwestspanischen Extremadurien. Kilometerweit wachsen nur Oliven- und Feigenbäume. Der Boden ist ausgedorrt. Nur rund um das Haus von Martín Gómez ist alles grün. Bäume spenden Schatten, Blumen verströmen ihren Duft, riesige Farne schützen den Boden vor den Sonnenstrahlen.

Jetzt ist all das bedroht. Martín Gómez zeigt eine Hügelkette weiter – "dort wollen sie im Tagebau mehrere Tausend Hektar aufreißen und ausbaggern". Zink, Zinn, Kupfer, Wolfram, Coltan, selbst Gold sollen unter den Oliven- und Feigenhainen schlummern. "Tagebau bedeutet nicht nur die Zerstörung der Landschaft, sondern die Verseuchung des Grundwassers und die Verschmutzung der Luft", ist sich der einstige Musiklehrer, der vor 36 Jahren aus Madrid kam, sicher. Sollte es so weit kommen, werde er nicht mehr hier leben können, denn "die einzige Zufahrt zum Gebiet führt direkt an meinem Haus vorbei".

Widerstand formiert sich

Am 26. Oktober 2018 kam sein Paradies ins Schwanken. Damals veröffentlichte das Amtsblatt die Genehmigung einer Lizenz für die Erforschung von 3072 Hektar Land zwischen den drei Gemeinden Cañamero, Logrosán und Berzocana. Es verging kein Monat, bis sich mehr als 300 Menschen aus dem 1.600-Einwohner-Ort Cañamero zu der Bürgerinitiative "Retten wir die Villuercas" zusammenfanden. Auch Martín Gómez war dabei. Villuercas heisst die Region, zu der die Dörfer gehören. Wegen ihrer seltenen Felsformationen und den steinzeitlichen Wandmalereien ist die Gegend seit acht Jahren Geopark der Unesco. Martín Gómez bereitet Fotobände über die Region vor, deren Erlös soll der Bürgerinitiative zugutekommen.

Carmen Martín de la Vega ist eine der Initiatoren jener ersten Protestversammlung und heute Sprecherin der Initiative. Die 64-jährige Physiotherapeutin hat mit ihrem Mann ein Grundstück mit Reben, Oliven- und Feigenbäumen. Zwei Pferde stehen auf der Weide. Von dem etwas höher gelegen Grundstück kann sie weite Teile der Gemarkung überblicken. "Dort, gleich neben dem Dorf, das sind die 'lotes', das wird alles der Mine zum Opfer fallen", erklärt sie. "Wir haben insgesamt 19.000 Einsprüche gegen die Genehmigung der Sondierungen eingereicht, 14.000 allein aus Cañamero", sagt Martín de la Vega, die immer wieder zu Koordinationstreffen von ähnlichen Initiativen gegen Minen in Spanien und Portugal fährt. Vor wenigen Wochen organisierten sie eine Menschenkette, die die Dörfer rund um die künftige Mine Verband.

Kontakt gibt es nicht

Einmal kam auch eine Sprecherin des Unternehmens in eine Versammlung. "Das war der einzige Kontakt", sagt Martín de la Vega. Wer Logrosán Minera S.L. sucht, hat wenig Glück. An der Adresse, die für die 2015 mit "einem Kapital von unter 3100 Euro" gegründete GmbH im Register eingetragen ist, befindet sich heute ein Kleidergeschäft. Mehr ist nicht herauszufinden.

"Sie versprechen Arbeitsplätze", sagt David Peña, Bürgermeister von Cañamero, der seit Anfang Juni im Amt ist und bisher ebenfalls keinerlei Kontakt mit dem Unternehmen hatte. Ein Bergwerk wie das geplante sei aber mit ganz wenigen Arbeitern am Laufen zu halten, ist er sich sicher. Wie alle hier im Ort verweist er auf US-TV-Serien über Goldsuche in Kanada und Alaska. Eine Handvoll Männer wühlen dort mit riesigen Baggern und Lkws ganze Berge und Wälder in nur einem Sommer um. "Viel Arbeit müssten sie uns bringen, damit die Leute das akzeptieren", fügt der 37-jährige Sozialdemokrat hinzu.

Die Landschaft in Villuercas ist weitläuftig, die Bevölkerung lebt von Oliven, Feigen, Wein und ein wenig Tourismus. All das ist bedroht, weil Bergbau-Unternehmen nach Zinn, Zink, Kupfer, Wolfram, Coltan und Gold suchen wollen. Das bedroht das Lebensumfeld vieler Dörfer in der Region.
Foto: Reiner Wandler

Dann kommt er auf eine Besonderheit Cañameros zu sprechen: "los lotes" – die Flurstücke. Das sind vier Hektar große Grundstücke, die bei einer Landreform in den 1920er-Jahren an 450 bedürftige Familien vergeben wurden – insgesamt rund 2000 Hektar. Aus Wald und Gestrüpp wurden die Oliven-, Feigenhaine und Weinberge, die heute den Ort umgeben.

Die "lotes" würden komplett der Mine zum Opfer fallen. Die meisten Familien hier leben von der Mischwirtschaft – einem Job in einem Unternehmen oder in der Verwaltung und nach Feierabend die Landwirtschaft. "Olivenöl für bis zu 6000 Euro kann ein 'lote' im Jahr bringen", sagt der Bürgermeister. Cañamero habe daher weniger Bevölkerung verloren als andere Dörfer hier.

Die Landwirtschaftsgenossenschaft produzierte im Vorjahr Olivenöl für zwei Millionen Euro. Vier große und sechs mittlere Weinkellereien zählt Cañamero. Der Wein ist in ganz Spanien bekannt. Hinzu kommen Feigen und Kirschen aus der Region. Ein Unternehmen am Ortseingang produziert Honig. "In Cañamero haben wir einen ganz besonderen Bezug zum Land", sagt Pena. Im Gemeinderat wurde einstimmig eine Resolution gegen die Bergwerkspläne verabschiedet. Und die Bürgermeister aller Gemeinden ringsum haben sich gegen den Tagebau zusammengetan.

230 Bergwerke soll es geben

Die Mine in den Villuercas ist nicht das einzige Bergbauprojekt in Extremadurien. Insgesamt ist von 230 Bergwerken die Rede, unter anderem ist ein Lithiumtagebau direkt neben Cáceres, Provinzhauptstadt und Weltkulturerbe, geplant. Weitere Tagebaupläne gibt es für die weitgehend menschenleere Region Siberia, die sich um den Titel des Biosphärenreservat bei der Unesco beworben hat.

"Die Unternehmen schauen auf die Karte. Wenig Bevölkerungsdichte bedeutet wenig Widerstand. Aber hier bei uns haben sie sich getäuscht", sagt Pedro Pazos. Der 74-jährige Ingenieur ließ sich 1996, nach langen Jahren in Großprojekten von Europa bis Asien, in seinem Geburtsort Cañamero nieder. Er gründete ein Unternehmen für die Installation von Fotovoltaikanlagen, als kaum jemand an diese Technologie glaubte. Seine Büros und Lagerhallen liegen ebenfalls am Rande des Gebiets, in dem die Mine entstehen soll.

"Die Geschichte wiederholt sich", sagt Pazos. Bevor er damals seine Heimat verließ, gehörte er der Anti-AKW-Bewegung an, die erfolgreich ein Kernkraftwerk nur 25 Kilometer von Cañamero entfernt verhinderte. "Damals sagten sie uns, wir seien ungebildete Tölpel, die gegen die Zukunft seien. Jetzt müssen wir uns das wieder anhören", sagt der weißhaarige Mann. Sie seien gegen eine nachhaltige Entwicklung, werde den Minengegnern vorgeworfen. Denn die Erze, um die es geht, sind für Elektronikartikel wie Handys und für die dank der E-Autos steigende Nachfrage nach Batterien nötig. "Das ist der gleiche Fortschrittswahnsinn wie einst mit den AKWs. Nachhaltig sei die Zukunft mit E-Fahrzeugen, wird uns erzählt. Aber das ist ganz eindeutig der falsche Weg", sagt Pazos mit Blick auf die Mineralsuche weltweit um jeden Preis. Nachhaltiges Wachstum ist für ihn ein Widerspruch an sich. "Doch wer traut sich, den Menschen zu erklären, das wir nicht ewig weiterwachsen können?", fragt der Solarunternehmer, der auch mit Brennstoffzellen experimentiert.

Alles kann kaputt gehen

"Die Mine würde alles zunichtemachen, was wir uns mühsam erarbeitet haben", ist sich auch Nines Díaz, Bürgermeisterin im Nachbarort Berzocana, sicher.

Wie um sich selbst zu überzeugen, dass sie letztlich "über die Bösen, die geduldig auf ihren Augenblick warten", siegen werden, baut Martín Gómez an seinem neuesten Projekt weiter: dem "Mirador" – einem Aussichtspunkt aus selbstgebrannten Ziegeln und Keramik neben seinem Haus. Er hofft, dass er von dort noch lange Sterne, Olivenhaine und die umliegenden Berge betrachten kann. (Reiner Wandler aus Villuercas, 9.9.2019)