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"Jeder filmt", argumentiert Israels Premier Benjamin Netanjahu. "Alles ist eine Instagram-Story. Jedes Geschäft wird von Kameras überwacht. Nur in Wahllokalen soll man nicht filmen dürfen?"

Foto: Abir Sultan/Pool Photo via AP

Wenn es nach Israels Regierung geht, soll kommende Woche in den Wahllokalen gefilmt werden dürfen. Das Kabinett hat am Sonntag, gut eine Woche vor der Parlamentswahl am 17. September, einen entsprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht.

Das Argument, das Premier Benjamin Netanjahu kurz vor der Abstimmung äußerte, war simpel: "Jeder filmt", so der Premier. "Alles ist eine Instagram-Story. Jedes Geschäft wird von Kameras überwacht. Nur in Wahllokalen soll man nicht filmen dürfen?"

Betrug soll verhindert werden

Um für saubere und faire Wahlen zu sorgen, brauche es Überwachungskameras – und damit das neue Kameragesetz: Mitarbeiter von Parteien sollen mit ihren Handys und Kameras in Wahllokalen, nicht allerdings in den Kabinen selbst filmen dürfen. So soll Wahlbetrug verhindert werden. Netanjahus Likud-Partei hatte den Gesetzentwurf eingebracht, nachdem das Zentrale Wahlkomitee vor kurzem das Filmen in Wahllokalen verboten hatte, weil dafür die gesetzliche Grundlage fehle.

Nicht nur die Opposition, auch Rechtsexperten sind empört: Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit nahm am Sonntag sogar an der Kabinettssitzung teil, um seiner Ablehnung Nachdruck zu verleihen: Er warnt vor einem Chaos beim Wahlprozess. Mandelblit zeigte sich zuvor nicht grundsätzlich abgeneigt gegen ein Gesetz, das Wahlmanipulation verhindern soll. Er sprach sich aber dafür aus, dieses nicht unter Zeitdruck zu verabschieden, sondern zuvor intensiv zu begutachten.

Die Rechtsexpertin Tehilla Shwartz Altshuler, die sich am Israelischen Demokratie-Institut mit dem Wahlvorgang beschäftigt, hinterfragt unter anderem die Motivation für das Gesetz: Es gehe dem Likud vor allem darum, in Wahllokalen in arabischen Gemeinden zu filmen. Es handle sich um eine Methode, um Leute vor dem Gang zur Wahlurne abzuschrecken – in diesem Fall die arabische Bevölkerung.

Arabische Gemeinden

Schon bei der Wahl im April schickte der Likud 1200 Mitarbeiter mit versteckten Kameras in die Wahllokale arabischer Gemeinden. Als dies am Wahltag bekannt wurde, untersagte das Wahlkomitee weiteres Filmen. Nach der Wahl behauptete Netanjahus Likud, eine der arabischen Parteien habe es nur mit Betrug über die 3,25-Prozent-Hürde geschafft. Jenen, die nun das Kamera-Gesetz ablehnen, wirft Netanjahu vor, die Wahlen "stehlen" zu wollen.

Zwar gibt es laut Altshuler im derzeitigen Wahlprozess in der Tat Verbesserungsbedarf, wie auch die investigativen Recherchen der Zeitung Haaretz ans Tageslicht brachten: Beispielsweise sei beim Auszählungsprozess im April nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Allerdings gehe der Betrug nicht von einer bestimmten Partei aus.

Die Rechtsexpertin hält es außerdem für problematisch, dass laut Gesetzesvorschlag politische Parteien Mitarbeiter mit ihren eigenen Handykameras zum Filmen losschicken dürfen und diese sogar Fotos von Ausweisen machen dürften. "Die Filmenden dürfen das Material am Ende sogar auf ihren eigenen Geräten behalten, können dieses später bearbeiten und veröffentlichen." Der ehemalige israelische Premier Ehud Barak, der nun erneut für die Demokratische Union zur Wahl antritt, warnte vor einem Ende der Demokratie: "Das Kamera-Gesetz ist ein Warnsignal für uns alle."

Die Knesset, das israelische Parlament, wird am Montag in drei Lesungen über das Gesetz abstimmen. Sollte es verabschiedet werden, rechnen Beobachter damit, dass der Oberste Gerichtshof es noch stoppen könnte. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 9.9.2019)