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Wie es in Afghanistan weitergeht, ist nicht absehbar.

Foto: AP Photo/Rahmat Gul)

In zwei Tagen jährt sich 9/11 – die Anschläge in New York und Washington mit dreitausend Toten – zum 18. Mal. Im Herbst 2001 war die unmittelbare Reaktion der USA und ihrer Verbündeten, das Regime der Taliban in Afghanistan, von wo aus Al-Kaida operierte, anzugreifen und zu stürzen. Dass diese Taliban eines Tages vom US-Präsidenten in das symbolträchtige Camp David eingeladen würden, um einen "Frieden" zu besiegeln: Das hätte damals jede Vorstellungskraft überschritten.

Und doch war es nun beinahe so weit. In letzter Minute hat Donald Trump die Notbremse gezogen und das Treffen abgesagt. Seine Begründung – ein US-Todesopfer bei einem der vielen Taliban-Anschläge – ist nicht sehr überzeugend. Die Zukunft der Gespräche, in die bereits viel investiert wurde, ist deshalb wohl offen. Man weiß, dass zuletzt das US-Außenministerium stark gegen den bevorstehenden Deal opponierte. Trump gibt diesen Einwänden heute recht; morgen kann das wieder anders sein.

Von Beginn an war irritierend, dass die Taliban keinerlei Zugeständnisse für die Verhandlungen machen mussten. Ihre steigende Gewalt schien durch einen immer größeren US-Einsatz honoriert zu werden. Zuletzt liefen Taliban-Offensiven gegen drei Provinzhauptstädte: eine Demonstration der Machtlosigkeit der etwa 20.000 in Afghanistan verbliebenen ausländischen Soldaten, davon etwa 14.000 Amerikaner. Die Taliban setzen darauf, dass ihr Verhandlungspartner sein – viel zu offen deklariertes – Ziel unbedingt erreichen will: die US-Truppen bis zu den nächsten US-Wahlen aus Afghanistan herauszuholen und damit den bisher längsten US-Krieg zu beenden.

Überschaubare Leistung

Die Leistung der Taliban in diesem Deal wäre überschaubar: durch eine "Reduktion der Gewalt" – offenbar nicht einmal eine Waffenruhe – den USA den Abzug auch tatsächlich zu erlauben; mit der afghanischen Regierung, die sie nicht anerkennen, zu verhandeln; die Präsenz international operierender Jihadistengruppen nicht zuzulassen. Was nach dem Abzug der US-Truppen passieren würde – ob die Taliban tatsächlich zur Machtteilung und gar der Akzeptanz des in den vergangenen 18 Jahren aufgebauten politischen Systems bereit wären und ob sie Al-Kaida oder den "Islamischen Staat" wirklich in Schach halten könnten -, ist eine andere Frage.

Sicher hingegen ist, dass die Taliban ihr Ziel, ihr islamisches Emirat wieder zu errichten, nicht aufgegeben haben. Für die vielen Afghanen und Afghaninnen, die unter der Schreckensherrschaft ab 1996 gelitten haben, ist die Versicherung der USA, dass sich die Taliban "weiterentwickelt" hätten, ein schwacher Trost.

Allerdings ist die Lage auch für Trump mehr oder weniger trostlos: Heute sind gut 5000 Soldaten mehr in Afghanistan als bei seinem Amtsantritt 2017. Wenn sich keine vertretbare Einigung mit den Taliban ergibt, bleiben ihm zwei Optionen: die Truppen auf absehbare Zeit in Afghanistan zu belassen, in einem Krieg, der nicht zu gewinnen ist und dessen Anlass ein heutiger Teenager nicht mehr selbst miterlebt hat. Oder er zieht die Truppen ohne Abkommen ab: Damit würden die USA darauf verzichten, wenigstens versuchsweise ihre Interessen zu wahren. Für Afghanistan wäre eine Wiederholung des Szenarios von 1989, nach dem Abzug der Sowjets, am wahrscheinlichsten: ein neuer Bürgerkrieg – in den dann doch wieder Mächte von außen eingreifen. (Gudrun Harrer, 9.9.2019)