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Im Vorfeld der Wahlen kam es immer wieder zu heftigen Protesten in Moskau, bei denen tausende Menschen verhaftet wurden.

Foto: AP/Alexander Zemlianichenko

Bei den Regionalwahlen am Wochenende konnte die Kreml-Partei Einiges Russland ihre Dominanz behaupten: Alle 16 amtierenden Gouverneure sicherten ihre Wiederwahl bei geringer Wahlbeteiligung schon in der ersten Runde. Auch bei den meisten Abstimmungen zu lokalen und regionalen Parlamenten trug Einiges Russland den Sieg davon. Ausnahme war die Region Chabarowsk. Grund: Der Gouverneur dort gehört der populistischen LDPR an, dementsprechend siegte dort auch dessen Partei.

In Moskau konnte die Opposition immerhin einen symbolischen Sieg feiern: 38 der 45 Sitze hatte Einiges Russland vor der Wahl besetzt. Nach der Abstimmung ist diese Mehrheit auf 25 Sitze geschrumpft. 13 Sitze erhalten die Kommunisten, drei Mandate gehen an Gerechtes Russland. Beide Parteien sitzen auch in der Staatsduma und gelten nur als bedingt oppositionell. Darüber hinaus gewannen aber auch alle vier zugelassenen Kandidaten der sozialliberalen Partei Jabloko einen Sitz in der neuen Duma.

Neue Strategie der Opposition

Die neue Sitzverteilung ist Resultat einer neuen Strategie der außerparlamentarischen Opposition um Alexej Nawalny. Dieser hatte nach dem Ausschluss praktisch aller kremlkritischen Kandidaten schon im Vorfeld der Wahl zur "klugen Abstimmung" aufgerufen. Im Klartext: Die liberale Opposition sollte in jedem Wahlbezirk einen Kandidaten unterstützen, der nicht von Putins Partei Einiges Russland protegiert wurde. Dabei waren die politischen Ansichten des Kandidaten zweitrangig. Die Devise lautete: "Jeden, nur nicht Einiges Russland."

Die Strategie war von Anfang an im liberalen Lager umstritten. Es kam zum offenen Streit zwischen Nawalny und Michail Chodorkowski, der nur Kandidaten unterstützen wollte, die Repressionen und Polizeigewalt während der Proteste kritisiert hatten. Nawalnys Ansatz war weniger von moralischen als von taktischen Prinzipien geprägt – und so konnten von der ungewöhnlichen Allianz ausgerechnet die Kommunisten am meisten profitieren.

Dämpfer für Sobjanin

Der Einfluss der Stadt-Duma ist gering, trotzdem bedeutet die Wahl für Bürgermeister Sergej Sobjanin eine schwere Schlappe. Einiges Russland steht in der Hauptstadt unter der Fuchtel Sobjanins, dementsprechend muss er den Verlust von 13 Wahlbezirken verantworten.

Abgewählt wurde unter anderem der Chef der Moskauer Parteifiliale von Einiges Russland, Andrej Metelski, dem Nawalny vorwarf, mit Immobilienbesitz in Österreich und einem Multimillionenvermögen kompromittiert zu sein. Auch die Prorektorin der Moskauer Higher School of Economics, Walerija Kassamara, die sich vor der Wahl offen als Mitglied des Sobjanin-Teams bezeichnet und deren Wahl dem Kreml angeblich sehr wichtig gewesen war, scheiterte.

Diese Niederlagen dürften dementsprechend im Kreml als Schwäche Sobjanins registriert worden sein. Dieser gilt als ein möglicher Kandidat für die Nachfolge Wladimir Putins, sollte dieser tatsächlich 2024 abtreten. Seine Bewerbung hat mit dem Ergebnis einen Dämpfer erhalten. (André Ballin aus Moskau, 9.9.2019)