Rom – Italiens neue Regierung um Premier Giuseppe Conte will den rigorosen Migrationskurs ändern, der bisher unter Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini betrieben wurde. Conte plant in Brüssel ein neues System durchzusetzen, wonach die Umverteilung der Migranten auf die EU-Länder noch vor deren Ankunft in Italien beschlossen werden soll, berichtete der "Corriere della Sera" am Montag.

Offene Häfen

Rettungsschiffe werden wieder in italienischen Häfen landen dürfen, lautet das Vorhaben der neuen Regierung. Dafür drängt Italien auf eine Revision des Dubliner Asylabkommens und auf stärkere europäische Entwicklungsinvestitionen in Afrika. Bei der Flüchtlingsversorgung will Italien auf kleiner Einrichtungen und nicht mehr auf größere Lager setzen. Über die neue Migrationspolitik verhandelt Conte mit Außenminister Luigi Di Maio und der neuen Innenministerin Luciana Lamorgese, die als ehemalige Mailänder Präfektin Erfahrung im Umgang mit der Migrationsproblematik gesammelt hat.

NGO-Schiffe wie die Open Arms sollen wieder in italienischen Häfen landen dürfen.
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Unklar ist, was mit den Sicherheitspaketen geschehen wird, die Salvini in den vergangenen Monaten im Parlament mit Unterstützung der Fünf-Sterne-Bewegung durchgesetzt hat. Die Sozialdemokraten (PD), die gemeinsam mit der Fünf-Sterne-Bewegung die zweite Regierung Conte unterstützen, drängen auf die Abschaffung der sogenannten Salvini-Dekrete, die unter anderem drakonische Strafen für NGO-Schiffe vorsehen, die ohne Genehmigung Italien erreichen.

Neues Migrationsgesetz

Der PD-Fraktionschef in der Abgeordnetenkammer, Graziano Delrio, berichtet, dass seine Partei für die Verabschiedung eines neuen Migrationsgesetzes sei. Damit solle das Migrationsproblem auf "strukturelle Weise" in Angriff genommen werden. Die Fünf-Sterne-Bewegung wehrt sich jedoch dagegen.

Die Sozialdemokraten und andere Linksparteien fordern weiters die Einführung des "ius soli" (Recht des Bodens), des Geburtsortsprinzips in Sachen Staatsbürgerschaft. Die italienische Staatsbürgerschaft beruht bisher – wie auch in Österreich – auf dem Grundsatz des "ius sanguinis" (Recht des Blutes), des Herkunftsprinzips, wonach nur Kinder eines italienischen Vaters oder einer italienischen Mutter von Geburt an italienische Staatsbürger sind. Daran halten rechte Kräfte in Rom fest. Noch unklar ist, ob die Fünf Sterne-Bewegung das Anliegen der Sozialdemokraten unterstützen wird.

Ocean Viking wartet auf Anweisungen

Das Rettungsschiff Ocean Viking der Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée, das am Sonntag vor der Küste Libyens 50 Migranten aufgenommen hat, wartet unterdessen auf Anweisungen für einen Landehafen. Die beiden Hilfsorganisationen hoffen, dass das Schiff auf Malta oder Italien landen kann. Die Ocean Viking könnte zum Test für die Migrationspolitik der neuen italienischen Regierung werden. (APA, 9.9.2019)