Saïed Sadeghi fotografierte während des ersten Iran-Irak-Krieges an vorderster Front.

Foto: NimaFilm/Seconde Vague Productions

Es sind zunächst vor allem freudige Gesichter, die auf den während des ersten Iran-Irak-Krieges zwischen 1980 und 1988 entstandenen Fotos von Saïed Sadeghi zu sehen sind: junge Männer mit Waffen in der Hand, manchmal umgeben von Kindern, Müttern, alle mit strahlendem Gesichtsausdruck.

Enayat auf einem Foto, das während des ersten Iran-Irak-Krieges von ihm aufgenommen wurde.
Foto: NimaFilm/Seconde Vague Productions

"Mir fiel auf, dass sich die Leser vor allem für die hübschesten und jüngsten Gesichter interessieren", erzählt Sadeghi in der als Spurensuche angelegten Dokumentation Iran – Irak: Die Kamera als Waffe (Arte, 21,45 Uhr) der schwedisch-iranischen Dokumentarfilmerin Maryam Ebrahimi. Um die Fotos zu ermöglichen, wurden ganze Familien auf Militärstützpunkte eingeladen und mit Blumen empfangen. "Mütter drängten ihre Söhne dazu, an die Front zu gehen, nachdem sie diese Fotos gesehen hatten", kommentiert Sadeghi heute, fast 40 Jahre später, seine Bilder.

Als die islamische Republik Iran im April 1979 ausgerufen wurde, zählte sich der Fotograf zu ihren euphorischen Anhängern. Er ist lange Zeit stolz, Teil der Propagandamaschinerie zu sein.

"Es gab keinen Tod"

Auch dann noch, als an der Front längst das große Schlachten eingesetzt hat. "Es gab keinen Tod, sondern ein neues Leben als Märtyrer", erzählt Sadeghi. Wie stark eine Religion oder eine Ideologie die Wahrnehmung prägen kann, verdeutlichen verstörende Sequenzen: Während auf den Fotos längst keine Familienidyllen, sondern Leichenberge zu sehen sind, erzählt der Fotograf im Off von seinen damaligen Empfindungen. Der Leichengeruch sei "wie Duft" gewesen, die zersiebten Körper seien ihm als "herabgefallene Engel" erschienen. Als er im Schützengraben auf ein Zeitungsfoto angesprochen und gefragt wurde, ob er sich dafür nicht schäme, habe er sich beleidigt gefühlt.

Die Geschichte der Läuterung, die Iran – Irak erzählt, lässt sich am Bild eines blutjungen Kämpfers festmachen, der den Tod seines Bruders betrauert. "Ihre Blicke werden mich verfolgen", sagt Sadeghi heute schamerfüllt über seine einstigen Motive. Auf seine Bilder hat er heute keinen Zugriff mehr: Die Negative wurden von den Behörden beschlagnahmt, die sie weiterhin eigenmächtig für ihre Propaganda nutzen. (glicka, 9.9.2019)