Nicht nur ein Generalticket, auch dichtere Intervalle würden neue Fahrgäste bringen.

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Ein Öffi-Ticket, das für ganz Österreich gilt und drei Euro pro Tag kostet: Das fordert die SPÖ seit einigen Wochen. Aufs Jahr gerechnet würde das Klimaticket, das sich Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner vorstellt, 1.095 Euro kosten.

Die Idee ist nicht neu: Schon im Wahlkampf 2008 war eine Jahreskarte fürs ganze Land Thema, damals gefordert von der ÖVP. Kosten: 1.490 Euro. Die SPÖ winkte ab: zu teuer. Viele könnten sich 125 Euro im Monat nicht leisten. Im Sommer 2018 folgte die FPÖ: Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer erklärte, er wolle das Österreichticket angehen. Zu Jahresende hieß es, es gebe bereits Pläne dafür. Preis und Zeitplan blieben offen, bis er das Amt verließ.

Günstiger als Österreichcard

Mit 1.095 Euro pro Jahr wäre das Ticket, das die SPÖ fordert, rund 800 Euro billiger als die bereits existente Österreichcard der ÖBB. Diese kostet rund 1.890 Euro. Pro Tag sind das 5,20 Euro. Nutzen kann man damit aber nur die ÖBB und einige Privatbahnen. Für die Stadt-Öffis braucht man eine eigene Karte. Wie viele die Karte besitzen, will die ÖBB nicht verraten.

Gerechnet auf ein Jahr legen die Österreicher ab sechs Jahren rund 104 Milliarden Kilometer auf 7,5 Milliarden Wegen zurück, für diese werden in Summe 3,3 Milliarden Stunden benötigt, das zeigt die Erhebung "Österreich unterwegs" des Verkehrsministeriums. Für den Großteil ihrer Wege nutzen Österreicher den Pkw: 47 Prozent fahren selbst, zwölf Prozent sind Mitfahrer. Sieben Prozent fahren mit dem Fahrrad, 18 gehen zu Fuß und 17 nutzen Öffis. In Wien werden 38 Prozent der Wege mit den Öffis zurückgelegt.

Doch die günstige Jahreskarte motiviert die Wiener offenbar nicht zur Nutzung der Öffis. Seit der Einführung 2012 stagniert der Anteil. Bringt ein billigeres Österreichticket überhaupt den gewünschten Umstieg?

Vorbild Schweiz

Der Blick in die Schweiz zeige, dass eine gemeinsame Karte Sinn mache, sagt Tadej Brezina, Experte für öffentlichen Verkehr an der TU Wien, dem STANDARD. Dort würden die Öffis im Ländervergleich am besten genutzt. Mit dem Generalabonnement um 3860 Schweizer Franken (3545 Euro) könne man fast alle Linien nutzen. Doch: "Nur an der Angebotsstruktur zu schrauben reicht nicht", sagt Brezina. Gerade im ländlichen Raum sehe man, welche große Rolle die Haltestellen- und Taktungsdichte ausmachen. In peripheren Bezirken nutzen nur 8,4 Prozent die Öffis. Nicht weil sie zu teuer sind, sondern weil hier ganze Siedlungsgebiete vor allem aufs Auto ausgelegt sind. Oft gebe es nur den Schülerverkehr und einen Bus, der zweimal am Tag fährt. "Allein ein billigeres Ticket wird unseren Anteil an den Klimafolgen nicht merklich beeinflussen", sagt Brezina. Es brauche eine "dramatische Verdichtung" der Intervalle und des Angebots. Es braucht also mehr Budget.

Es fehlt am Geld

An diesem scheiterte ein Vorstoß der rot-grünen Stadtregierung Wiens: Ein Ticket für die Ost-Region um 365 Euro würde laut dem Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) Niederösterreich, Wien und das Burgenland 500 Millionen Euro kosten. Aus Niederösterreich kam die Absage. Landeschefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte, Wien sei nicht mit Niederösterreich zu vergleichen, die Wege im flächenmäßig größten Land zu unterschiedlich und es fehlten Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung. Zudem stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit. So zeigt die Pendlererhebung der Statistik Austria, dass 2017 von 807.535 Erwerbstätigen in Niederösterreich fast die Hälfte innerhalb des Bundeslandes, rund ein Viertel in ein anderes Bundesland pendelte.

Das Land Salzburg wiederum plant mit dem Berchtesgadener Land und Traunstein derzeit den ersten grenzüberschreitenden Verkehrsverbund. Takt und Preise sollen aufeinander abgestimmt werden. (Oona Kroisleitner, Stefanie Ruep, 10.9.2019)

Überblick über die Öffi-Tarife in den einzelnen Bundesländern:

OBERÖSTERREICH

Viele Linzer sind wohl der Meinung, dass in Sachen Öffis der Zug in der oberösterreichischen Landeshauptstadt längst abgefahren ist. 73 Stunden stehen Pendler in Linz jährlich im Stau. Neben groben Zeitplanungsfehlern beim jüngsten Brückenbau fehlt es an attraktiven Umstiegsmöglichkeiten. Die Linzer Öffis (eine Jahreskarte kostet 285 Euro) platzen aus allen Nähten: 309.000 Fahrgäste werden täglich befördert. Längst ist die Kapazitätsgrenze erreicht. Erleichterung sollte eine zweite Schienenachse im Osten der Stadt bringen. Das Projekt hängt in der politischen Warteschleife. (mro)

SALZBURG

Im Bundesland Salzburg stellt Verkehrslandesrat Stefan Schnöll (ÖVP) mit Jahreswechsel das Ticketsystem für den öffentlichen Verkehr um und führt Regionentickets ein. Die Jahreskarte für einen Bezirk wird ab Jänner 365 Euro kosten, ganz Salzburg 595 Euro. Zum Vergleich: Derzeit kostet eine Jahreskarte für das ganze Land noch 1.539 Euro. In diese Tarifreform investiert das Land sechs Millionen Euro pro Jahr. Die Preise für Einzeltickets für den Obus in der Stadt Salzburg wurden jedoch auch heuer wieder erhöht. Beim Kauf im Bus kostet die Einzelfahrt 2,90 Euro. Die Obus-Linien der Stadt Salzburg fahren mindestens im 15-Minuten-Takt. In Teilen des Innergebirges kann die Öffi-Fahrt von einer Region in die andere schnell zur aufwendigen Tagesreise werden, sagt Sabine Klausner, SPÖ-Verkehrssprecherin. Aus dem Büro von Schnöll heißt es, in den Gauen gebe es Optimierungsbedarf. (ruep)

TIROL

Ziel in Tirol ist, dass alle Bezirkshauptstädte und die Landeshauptstadt problemlos ohne Auto erreichbar sind. Dazu will man in allen Tälern Mindeststandards für Öffis einführen. Teils mithilfe der Tourismusverbände und der Bergbahnen. So besteht etwa im Ötztal ganzjährig Halbstundentakt, im Paznaun kann man im Winter im Zehn-Minuten-Takt mit dem Bus fahren. Zwischen Hall und Innsbruck verkehrt der Zug im 15-Minuten-Takt. Eine Jahreskarte für ganz Tirol kostet 499,40 Euro, jene für Innsbruck 370 Euro. (jub)

VORARLBERG

Vorarlberg hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: den besten öffentlichen Verkehr nach Wien. Etappenziele wurden mit der 365-Euro-Jahreskarte erreicht. Mittlerweile kostet die Karte (Vollpreis) für alle Öffis 378 Euro pro Jahr. Damit kommt man auch in die Grenzorte in Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz sowie nach St. Anton in Tirol. Tickets gibt es analog und über eine eigene App. Busse in den Städten fahren im Halb- und Viertelstundentakt, die Schnellbahn im Halbstundentakt. Im Rheintal kann man leicht ohne Auto auskommen, schwierig wird es in den Talschaften Montafon, Großes Walsertal und Bregenzerwald. 35 Prozent der Haushalte besitzen eine Jahreskarte. Für Landesrat Johannes Rauch (Grüne) ist das Ziel aber erst "zur Hälfte" erreicht: "Schaffe das Angebot, und du bekommst die Nachfrage." (jub)

WIEN

Ein Euro pro Tag: So viel kostet in Wien die Jahreskarte für die Öffis. Allerdings nur, wenn man sie auf einmal bezahlt. Eine Stückelung zu monatlich 33 Euro schlägt gesamt mit 396 zu Buche. In Wien werden 38 Prozent der Wege mit den Öffis zurückgelegt. Bis 2020 investiert die Stadt Wien 70 Millionen Euro in den Ausbau von Bim und Bus. Hinzu kommt der Bau der neuen Linie U5. (ook)

BURGENLAND

Öffentlich ist das Burgenland sehr unzulänglich befahrbar. Im Norden funktioniert der Pendlerverkehr Richtung Wien recht klaglos, der Süden ist aber auf den Bus angewiesen. Im Bezirk Güssing gibt es nicht einmal einen Bahnhof. Der Personenverkehr von Oberwart nach Friedberg wurde eingestellt. Die Verbindung nach Eisenstadt ist so schlecht, dass das Auto beinahe alternativlos ist. Als letzte Landeshauptstadt Österreichs hat Eisenstadt Ende 2016 einen öffentlichen Stadtverkehr bekommen. Die kleinen Citybusse wurden dankbar angenommen, das Jahresticket kostet 59 Euro. Mittlerweile gibt es vier Linien, eine fünfte ins Umland wird getestet. (wei)

NIEDERÖSTERREICH

Ein pauschales Jahresticket gibt es nur für Jugendliche: Das Top-Jugendticket kostet 70 Euro und gilt für den Verkehrsverbund Ost-Region (VOR), also auch das Burgenland und Wien. Der niederösterreichische Landtag fordert in einer Resolution vom Bund ein bundesweites Äquivalent für Studierende. Erwachsene können ein ihre VOR-Pendlerstrecke umfassendes Jahresticket kaufen, dessen Preis nach Länge variiert und auch die Netze der auf der Strecke liegenden Städte umfasst. Niederösterreich gibt 95 Millionen Euro für Streckenverdichtung im Bus- und Bahnnetz aus. Ein landesweites Ticket um einen Euro pro Tag würde das Land nach Angaben des Verkehrsressorts 381 Millionen Euro kosten. (spri)

KÄRNTEN

460 Euro kostet die Jahreskarte für den Kärntner Stadtverkehr. Damit kann man in Villach oder Klagenfurt die Öffis nutzen. Jahreskarten für einzelne Zonen gibt es auch, eine um 320 Euro. Je mehr Zonen man zahlt, desto billiger werden sie. Von Villach nach Klagenfurt braucht man etwa sieben. Plus zweimal Stadtverkehr kommt die Jahreskarte auf 1.635 Euro. (ook)

STEIERMARK

Zonen gibt es auch im Verkehrsverbund Steiermark. Und zwar 13: eine um 456, alle um 2285 Euro. Personen mit Hauptwohnsitz in Graz können eine Jahreskarte der Stadt um 281 Euro erwerben, die Differenz auf den Verbundpreis in der Zone 101 begleicht die Stadt Graz als Förderung. Pendelt man von Graz in eine andere Zone, muss man allerdings eine Jahreskarte des Verkehrsverbunds für zwei Zonen kaufen, da eine Kombination der Jahreskarte Graz und jener in andere Zonen nicht möglich ist. (ook)