Giuseppe Conte skizziert seine Pläne.

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Giuseppe Conte und seine neu gebildete Koalition aus der Fünf-Sterne-Bewegung und dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) hatten sich in der italienischen Abgeordnetenkammer der Vertrauensabstimmung zu stellen. Am Dienstag wiederholt sich das gleiche Prozedere auch noch im Senat. Die Abgeordnetenkammer gab der gelb-roten Regierung (Gelb ist die Parteifarbe der Fünf Sterne, Rot diejenige des PD) jedenfalls mit 343 zu 263 Stimmen das Vertrauen. Auch im Senat wird voraussichtlich nichts anbrennen – obwohl dort die Mehrheit der neuen Regierung als etwas wackliger eingestuft wird.

In seiner programmatischen Antrittsrede stellte Conte eine "neue Phase der Reformen" in Aussicht. Weiters versprach er, dass seine zweite Regierung mildere Töne anschlagen werde als seine erste, die von der rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini dominiert worden war. Die beiden Regierungspartner stünden für einen "neuen Humanismus", erklärte Conte nicht ganz ohne Pathos. Salvini hatte die chronisch zerstrittene alte Regierung aus Lega und Fünf Sternen im August nach nur 14 Monaten platzen lassen in der Hoffnung, damit Neuwahlen erzwingen zu können. Diese hat Staatspräsident Sergio Mattarella abgelehnt – und Salvini landete in der Opposition.

Wirtschaftsprogramm

Förderung des wirtschaftlichen Wachstums, soziale Gerechtigkeit, Bekämpfung der Steuerhinterziehung, Unterstützung des armen Südens und ein "Pakt für Beschäftigung": Diese Punkte bezeichnete Conte in seiner Antrittsrede als die wichtigsten Anliegen seiner Regierung. "Wir haben die historische Chance zu einer Wende in der sozialen und wirtschaftlichen Politik des Landes. Wir wollen dabei vor allem Jugendlichen und Familien mit niedrigem Einkommen und Unternehmern mehr Hoffnung geben", betonte Conte. Weiters kündigte der Regierungschef die Reduktion der Zahl der Abgeordneten von knapp 1.000 auf 600 an – ein altes, zentrales Anliegen der Fünf Sterne, denen Conte nahesteht.

Nicht nur milde, sondern freundschaftliche Töne wird Italien wieder gegenüber der EU anschlagen. "Seinen Wohlstand kann Italien nur innerhalb Europas vermehren, nicht außerhalb", betonte der Premier. Genau das war von der europafeindlichen Lega immer wieder stark angezweifelt worden. Der Stabilitätspakt müsse zwar "verbessert" werden, aber Italien werde die Auflagen respektieren und mittelfristig auf eine Verminderung der hohen Staatsverschuldung hinarbeiten, sagte Conte. Die von Salvini verlangte Einführung einer Einheitssteuer von 15 Prozent, die mit den Vorgaben aus Brüssel völlig unvereinbar gewesen wäre, ist vom Tisch: Der Premier hat sie nicht einmal mehr erwähnt.

Heißes Eisen Migrationspolitik

In der Migrationspolitik, die nach wie vor den öffentlichen Diskurs in Italien dominiert, blieb Conte dagegen vage. Der PD würde die beiden umstrittenen Sicherheitsdekrete sowie die Politik der "geschlossenen Häfen" von Ex-Innenminister Salvini am liebsten abschaffen – der Politikchef der Fünf Sterne und neue Außenminister Luigi Di Maio dagegen will die restriktive Politik aufrechterhalten. Conte erklärte am Montag lediglich, dass die Sicherheitsdekrete "überprüft" würden – und nahm die EU-Partner in die Pflicht: "Wir können auf die europäische Solidarität nicht verzichten." Das gelte sowohl für die Verteilung der Flüchtlinge als auch für gemeinsame Anstrengungen zur Repatriierung derjenigen, die kein Anrecht auf Asyl hätten.

Ob die italienischen Häfen nun für Schiffe mit geretteten Flüchtlingen geöffnet werden, war nach der Rede Contes unklar. Aber die Regierung und die neue Innenministerin Luciana Lamorgese werden in dieser zentralen Frage sehr bald Farbe bekennen müssen: Am Sonntagabend hat die Ocean Viking der Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen vor der Küste Libyens 50 Flüchtlinge aus einem sinkenden Schlauchboot aufgenommen und anschließend Italien und Malta um die Zuweisung eines sicheren Hafens gebeten. Es ist das erste Schiff, das seit der Vereidigung der neuen Regierung um Hilfe ruft. Bisher hat die Crew der Ocean Viking keine Antwort erhalten. (Dominik Straub aus Rom, 9.9.2019)