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In Österreich wurden zuletzt 10.000 bis 12.000 Photovoltaik-Anlagen installiert – pro Jahr.

Foto: REUTERS/Stringer

Die Herausforderung scheint nicht nur gewaltig, sie ist es auch. Wenn die Energiewende, die in Österreich als "Mission 2030" firmiert, nicht zur Mission Impossible werden sollte, sei keine Zeit mehr zu verlieren, mahnten am Montag einmal mehr der Präsident von Österreichs Energie, Leonhard Schitter und Peter Weinelt, Obmann des Fachverbands Gas-Wärme.

Wie groß die Herausforderung ist, versuchte Schitter, der auch Vorstandschef der Salzburg AG ist, mittels Zahlen zu verdeutlichen. Um den Strombedarf in Österreich bis 2030 zu 100 Prozent (bilanziell) aus erneuerbaren Quellen zu schaffen, müssten in den kommenden elf Jahren rund 30 Terawattstunden (eine TWh entspricht einer Milliarde Kilowattstunden) Strom aus Wind- und Wasserkraft- sowie Solaranlagen zusätzlich ins Netz. Realistischerweise könnten davon etwa sechs TWh durch ökologisch verträglichen Ausbau der Wasserkraft bereitgestellt werden, jeweils zwölf TWh durch den weiteren Ausbau der Wind- und Solarenergie.

Um aber allein das Ausbauziel bei Photovoltaik zu schaffen, müsste ab nun alle drei Minute eine Solaranlage in Österreich neu ans Netz, und das bis Silvester 2030. Heruntergebrochen auf den Zeitraum bis zu den Nationalratswahlen am 29. September wären es an die 10.000 Anlagen, die installiert werden müssten, um die Energiewende bis 2030 zu schaffen.

Realität sieht anders aus

Die Realität sieht freilich anders aus. In Österreich wurden zuletzt 10.000 bis 12.000 Photovoltaik-Anlagen installiert – pro Jahr. "Da ist alles dabei, von ganz kleinen Anlagen bis zu größeren mit einer Leistung bis zu 200 kW (Kilowatt), die über die Oemag (Abwicklungsstelle für Ökostrom, Anm.) unterstützt werden und solchen bis zu 500 kW, die Investitionsförderungen erhalten. Für heuer gibt es nur Hochrechnungen, ein großer Sprung nach vorn zeichnet sich bis dato aber nicht ab", sagte die Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria, Vera Immitzer, dem STANDARD.

Das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG), mit dem die Ökostromförderung in Österreich auf neue Schienen gestellt werden soll – weg von fixen Einspeisetarifen hin zu Ausschreibungen und Marktprämien – liegt seit dem Abtritt der Regierung Kurz auf Eis. Dieses Gesetz sei aber dringend nötig, damit die notwendigen Investitionen von geschätzt 50 Milliarden Euro bis 2030 auch getätigt werden könnten, betonten Schitter und Weinelt. Letzterer ist im Zivilberuf Generaldirektor-Stellvertreter der Wiener Stadtwerke und als solcher für die Bereiche Energie, Personal und IT zuständig.

Abbau der Warteschlange

Aufgrund des Zeitdrucks sollte sich der Nationalrat abgesehen von der Novelle zum Ökostromgesetz, die in der Plenarsitzung am 25. und 26. September beschlossen und Mittel für den Abbau der Warteschlange bei Wind- und Wasserkraft freimachen soll, auch ehestmöglich mit dem EAG beschäftigen. Wenn gewartet werde, bis die neue Regierung stehe und erst dann das Erneuerbare Ausbau Gesetz angegangen werde, vergehe mindestens ein Jahr – Zeit, die Österreich laut Schitter nicht hat.

Derzeit liegt der Ökostromanteil in Österreich bei etwas mehr als 70 Prozent. Um die angepeilten 100 Prozent übers Jahr gerechnet zu erreichen, müsste der Endenergiebedarf durch ein Mehr an Effizienz deutlich gesenkt werden, heißt es in der Energiebranche – bis 2050 etwa auf die Hälfte des Werts von 2016. In einem neuen Energieeffizienzgesetz sollte deshalb Bedacht darauf genommen werden, die Bevölkerung mittels steuerlicher Anreize einzubinden. Die Verpflichtung der Energielieferanten, Sorge zu tragen, dass möglichst wenig Energie verbraucht wird, habe sich als "untauglich" herausgestellt.

Neben Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit ist auch die Sektorkopplung einer von fünf Punkten, die von den Interessenvertretungen der Strom-, Gas- und Wärmeunternehmen Österreichs zur Erreichung der Klimaziele formuliert wurden. Wasserstoff könne als universeller Energieträger künftig eine zentrale Rolle zur Verknüpfung der einzelnen Sektoren spielen, sagte Weinelt. Eine mehrjährige Dotierung von Förderprogrammen sei wünschenswert. (Günther Strobl, 10.9.2019)