"Typisch Steinbock", sagt ein Freund zu mir, als ich einen Fehler nicht eingestehen will. Stur, emotionslos und besessen von der Arbeit sollen Personen dieses Sternzeichens sein. Ein mir zugeschicktes Meme einer Astrologie-Seite auf Instagram soll diese Vorurteile dann bestätigen. Dort bekomme ich vorgezeigt, wie ich als Steinbock noch so bin: sarkastisch, traditionalistisch, eine Führungsperson, ein Mensch mit harter Schale und weichem Kern. Ein paar Tage später bekomme ich weitere Memes mit der Nachricht "Das bist du!" zugeschickt. Doch diese beziehen sich auf meinen Löwe-Aszendenten. Der ist extrovertierter, braucht Aufmerksamkeit und ist lustig. Also was bin ich jetzt?

Astrologie erlebt unter Millennials und der Generation Z einen neuen Boom.
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Memes, Apps, Selbstoptimierung

Dass sich Menschen Ende 20 mit Astrologie beschäftigen, ist gar nicht mehr so ungewöhnlich. Doch mit den 08/15-Sterndeutungen aus Zeitungen hat dies wenig gemein, und auch von den klassischen Horoskopen von Astrologen wie Gerda Rogers sieht man bei den jüngeren Generationen eher wenig. Die "Meme"-Astrologie hat viel mehr mit Internetkultur und Selbstoptimierung zu tun. Laut "New York Times" und "Guardian" findet diese Entwicklung in den letzten Jahren statt. Für Vertreter der Millennials und der Gen Z reiche es nicht mehr, über ihr Sonnenzeichen, also Sternzeichen, zu reden. Der Aszendent – quasi die Maske, die man nach außen trägt – oder das Mondzeichen – dieses soll die Emotionen beeinflussen – sind fast noch relevanter, um die gesamte Persönlichkeit einer Person fassen zu können.

Die "neue" Astrologie ist auch nicht mehr eine, die sich nur auf die Probleme der Mittelschicht spezialisiert, wie die "NYT" schreibt. Shirts mit Horoskopmotiven, Bücher über Astrologie im Hipster-Modegeschäft und Sterndeutungsapps springen auf den anhaltenden Boom auf und treiben den Sterndeutungszug voran – auch finanziell gesehen. Die zu "Vice" gehörende Seite "Broadly" bietet ein detailliertes Monatshoroskop, die minimalistische App "Co-Star" schickt Usern hyperpersonalisierte Tageshoroskope. Die neue Form der Astrologie hüllt sich in einem Mantel der Selbstverbesserung und ist wie geschaffen für das Internet. Passend zu jedem Charakterzug, ob gut oder schlecht, gibt es auf Instagram Astrologie-Memes. Die Seiten "trashbag_astrology" oder "notallgeminis" haben bis zu 500.000 Abonnenten. Unterhaltung, Personalisierung und die kurzfristigen psychologischen Unterstützungen machen Astrologie bei der Generation Internet, wie die Zeitungen schreiben, eben so erfolgreich.

Religionsersatz für Junge?

Aber nicht nur Social Media ist ausschlaggebend für den Astrologie-Hype. Die "New York Times" ortet unter anderem die vermehrte Religionslosigkeit unter Jungen als Pushfaktor für die Astrowelle. Astrologie arbeitet mit denselben Mechanismen wie Religion, sie bietet Erklärungen für positive wie negative Lebensumstände und eine Ausflucht. Und den Platz, den die Religionen vakant gemacht haben, den nehme die Astrologie zum Teil ein. Das sind, so die "NYT", vor allem jene, die von den Religionen verstoßen wurden, also Frauen und queere Menschen.

Trotz des Hypes nehmen wohl die wenigsten die Astrologie für voll. Sie werden ihren Job nicht kündigen, weil Neptun im Krebs steht oder Merkur rückläufig ist. Ein Teil der neuen Generation an Astrologie-Fans sieht das Ganze hoffentlich eher pragmatisch – wie ein Steinbock halt.

Wie findet sich Astrologie in Ihrem Umfeld?

Beschäftigen Sie sich regelmäßig mit Horoskopen? Wie konsumieren Sie Astrologie: über Zeitschriften, Internet, Memes, Apps? (Kevin Recher, 8.1.2020)