Sebastian Kurz beantwortet Journalistenfragen – nicht alle, aber die meisten.

Foto: Christian Fischer

Wien – Die erste Einladung, ausgesprochen am Montagabend, richtete sich an "Tagesmedien, Radio und TV". Noch am Abend fragte sich eine "Falter"-Journalistin auf Twitter, ob sie wohl vorgelassen werde. Bei einem Hintergrundgespräch vergangene Woche, bei dem es um einen mutmaßlichen Dateneinbruch bei der ÖVP ging, war der "Falter", wie andere Wochenmedien auch, nicht eingeladen gewesen und auch nicht eingelassen worden. Die Bedrohung der Pressefreiheit und der Informationsfreiheit wurde daraufhin diskutiert. Für Dienstagfrüh stand ein Medienboykott im Raum.

Diese Blöße wollte sich die ÖVP nicht noch einmal geben, daher wurde die Einladung zu dem Hintergrundgespräch vom ÖVP-Pressesprecher noch am Abend auch auf Wochenmedien ausgeweitet. Dienstagfrüh erschienen dann ungewöhnlich viele Journalisten zu dem Pressegespräch von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, am Tisch saßen auch ein Kollege vom "Profil" und gleich zwei Vertreter des "Falter". Kurz schüttelte auch ihnen die Hände.

Das von Kurz vorgegebene Thema lautete aber nicht Spenden, Kredite oder Wahlkampfkosten, sondern Identität, Migration und Integration. Die ÖVP umschreibt das mit "einem Österreich, in dem wir uns sicher und zu Hause fühlen". Die meisten Punkte und Forderungen, die Kurz dann referierte, sind ohnedies bekannt. Die österreichische Identität müsse aufrechterhalten werden, sagte Kurz und fügte warnend hinzu: Durch Migration verändere sich ein Land, Österreich habe sich bereits massiv verändert. Auch wenn Österreich dadurch vielfältiger werde, müsse es seine Identität bewahren. Mehrere Punkte seien dazu notwendig.

Zuwanderung

Auf EU-Ebene müsse es eine Reform des Asylsystems geben. Menschen, die aus dem Mittelmeer gerettet werden, dürften nicht mehr in die EU, sondern müssten in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden.

Die Zuwanderung ins Sozialsystem müsse gestoppt werden, das gelinge auch durch eine konsequente Umsetzung der Reform der Mindestsicherung, die neuerdings wieder Sozialhilfe heißt. Eine Taskforce müsse alle Sozialleistungen für Zuwanderer durchforsten.

ORF

Integration

Kurz sprach davon, dass Österreich ein christlich-jüdisch und durch die Aufklärung geprägtes Land sei, und fügte im gleichen Atemzug sein Bekenntnis zum Kreuz im Klassenzimmer hinzu. Das Motto der ÖVP bleibe jedenfalls: Integration durch Leistung.

In den Schulen hätten sich die Deutschklassen für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache bewährt, der Ethikunterricht werde eingeführt, zusätzlich brauche es jetzt noch die Einführung eines Pflichtfachs Staatskunde ab der 5. Schulstufe. Das sei notwendig, um Orientierung zu geben und Fachwissen zu vermitteln.

Auch ehrenamtliches Engagement sei für die Integration ganz wichtig, führte Kurz aus, als Beispiel nannte er einen Zuwanderer, der sich bei den Zillertaler Schützen engagiere. Der sei "in der Sekunde" Teil der Dorfgemeinschaft.

Die ÖVP strebe auch eine Reform des Grundwehrdiensts und des Zivildiensts an, Kurz will eine Teiltauglichkeit einführen, um mehr junge Menschen verpflichten zu können. Weiterbildung und Integration sollten Teil dieses Dienstes sein.

Mehr Sozialarbeiter

Was die Schule betrifft, ist die ÖVP-Forderung nach einem Kopftuchverbot für Kinder bis 14 Jahre bekannt, auch eine Reduktion von Sozialleistungen bei Vernachlässigung der Erziehungspflichten wurde bereits diskutiert. Kurz will bei Vergehen der Eltern und der Schüler, also etwa bei Nichterscheinen im Unterricht oder bei Gewalt, die Familienbeihilfe reduzieren. Im Übrigen brauche es mehr Sozialarbeiter an den Schulen, erklärte Kurz. Tatsächlich wurden im laufenden Schuljahr aber die Stellen von Sozialarbeitern gestrichen, weil der Bund seinen Integrationstopf auflöste.

Als Maßnahme am Arbeitsmarkt will Kurz die Zumutbarkeitskriterien bei Asylberechtigten strenger gestalten. Einem jungen Flüchtling, der um die halbe Welt gereist sei und jetzt in Wien Mindestsicherung beziehe, sei es sehr wohl zumutbar, nach Tirol zu übersiedeln und dort einen Job anzunehmen.

Im Kampf gegen Extremismus und Gewalt will Kurz sowohl gegen den politischen Islam als auch gegen die Identitären vorgehen. Letzte gehörten verboten. Kurz will strenger gegen Vereine vorgehen, die extremistisches und staatsfeindliches Gedankengut verbreiten, das sei auch eine Koalitionsbedingung.

Klarnamenpflicht

Auch gegen "Hatespeech" im Internet will Kurz vorgehen, er kündigte einmal mehr die Einführung der Klarnamenpflicht an.

In der Fragerunde mit Journalisten verteidigte Kurz die Einladungspolitik der ÖVP, es sei durchaus üblich, unterschiedliche Formate für unterschiedliche Medien anzubieten. Von den "Falter"-Kollegen auf die überhöhten Wahlkampfbudgets im Jahr 2017 und im laufenden Betrieb angesprochen, antwortete Kurz entweder nicht oder verwies auf die Klage, die am Dienstag beim Handelsgericht Wien gegen den "Falter" eingebracht wurde. Dessen Berichterstattung sei entweder bewusst manipulativ oder sitze einer Falschinformation auf, sie stimme jedenfalls nicht, deshalb habe die ÖVP auch geklagt. Anderen Fragen, etwa jener nach dem 15-Millionen-Kredit aus dem Jahr 2017, wich Kurz aus, das habe er jetzt nicht in Erinnerung, was mehrere Journalisten mit einem Verweis auf den Rechenschaftsbericht der ÖVP quittierten. Dort sei das nachzulesen. (Michael Völker, 10.9.2019)