Schwedens bekannteste Produktdesignerin arbeitet in einer Puppenstube. Jedenfalls wirkt das Stockholmer Büro von Monica Förster so. Es ist beengt, hat niedrige Decken, überall liegen Zeichnungen herum, Prototypen stehen auf Fensterbrettern, Tischen.

Von diesem Atelier aus fertigt Monica Förster (53) ihre bewunderten Entwürfe: Stühle, Schalen, Lampen. Allen gemeinsam sind eine klare Formensprache, ein reduziertes Design und das Fehlen opulenter Dekorationen.

Förster tritt in ihr Büro im Stadtteil Södermalm, sie ist seit morgens um fünf Uhr wach, trotzdem lächelt sie und denkt lange nach, um präzise Antworten zu geben. Von Müdigkeit keine Spur. Begeistert fährt sie mit den Händen über die Mauern des Studios. Es liegt in einer umgebauten Brauerei, "einige Wände sind bestimmt noch aus dem 15. Jahrhundert", schätzt Förster.

Felix Odell fotografierte die schwedische Designerin Monica Förster inmitten ihrer Porzellankollektion, die sie für Röstrand/Fiskars entwarf.
Foto: Felix Odell

STANDARD: In der Bürotoilette des britischen Designers Tom Dixon hing lange ein Pamphlet mit dem Titel "Was mich an Designerprodukten verrückt macht". Besucher konnten den Satz in Gedanken beenden. Was hätten Sie dazugeschrieben?

Förster: Wenn Elemente hinzugefügt wurden, die keinen Sinn ergeben, zu viele Ausschmückungen, zu viel Dekor. Wenn jemand nach den aktuellen Trends schaut, ah, gerade wollen die Kunden Marmor, also machen wir etwas aus diesem Material. Zum Glück leben wir in einer Zeit des Wandels. Vieles von dem, was ich anspreche, ändert sich gerade.

STANDARD: Woran denken Sie?

Förster: Als das Millennium begann, dachte ich, wir würden nur noch supermodernes Design erleben, und das genaue Gegenteil trat ein. Alles sah plötzlich aus, als hätte man es in den 50er- und 60er-Jahren entworfen.

Großes Aufsehen erregte Monica Försters "Cloud", ein aufblasbarer Raum, den man wie einen Fallschirm zusammenlegen kann.
Foto: Monica Förster Design Studio; Offecct

STANDARD: Das Midcentury-Design boomte – reduziertes geometrisches Design, dunkle Holzmöbel.

Förster: Ich bin der Meinung, das liegt unter anderem daran, dass wir uns in einem konservativen Geschäftsumfeld bewegen. Die Firmen werden noch traditionell geführt. Wie Möbel teilweise produziert werden, entspricht nicht den technologischen Möglichkeiten. Einige Hersteller haben zudem einen Besitzer, der früher Möbelhändler war und nur daran glaubt, was er hundertprozentig verkaufen kann. Die gesamte Branche hat bisher über die Schulter geschaut, was der Mitbewerber macht.

STANDARD: Sie vermissten eine moderne Herangehensweise.

Förster: Ich bin dafür, unsere Arbeit mit moderner Technik zu verknüpfen. Schauen Sie sich Japan an, wie es dort funktioniert. Wenn Sie in einem traditionellen Ryokan übernachten, wo die Schiebetüren aus Holz gefertigt sind und die Wände aus Reispapier, wo die Frauen traditionelle Gewänder tragen und den Tee mit zwei Händen anreichen, dort werden Sie erleben, dass dieselben Frauen plötzlich kleine Tablets aus ihren Ärmeln hervorholen und darauf ihre Bestellung eintippen. Das finde ich supercool. Diese Kombination sehe ich in der Möbelindustrie noch nicht.

STANDARD: Was könnte in der Zukunft anders sein?

Förster: Ganz sicher werden wir mehr digitale Lösungen haben. Ich kann mir vorstellen, dass wir Implantate in unsere Körper einpflanzen und Dinge vor uns projizieren.

STANDARD: Dass man einen Stuhl nicht besitzt, ihn aber sieht?

Förster: Natürlich brauchen Sie wenigstens ein Möbelstück, um darauf zu sitzen. Ich stelle mir vor, dass es weiterhin Massenproduktion gibt, doch jeder Einzelne kann seine Möbel zu Hause nach seinem Geschmack individualisieren. Und das könnte digital erfolgen.

Monica Förster hat ein Designcredo: dass Gestaltung immer auch ein Mittel sein muss, um Menschen in Lohn und Brot zu halten. Sie pflegt einen zutiefst sozialdemokratischen Ansatz. Nur mit dem Menschen kann es eine vernünftige Lösung geben. Doch ohne nach vorn zu blicken, geht es eben auch nicht. Deshalb hat sie vor einigen Jahren die kreative Chefposition beim bosnischen Hersteller Zanat übernommen – ein gewagter Schritt nach Arbeiten für renommierte italienische Marken wie Cappellini und Poltrona Frau. Förster gefiel an dem Außenseiter, dass er durch handwerkliche Expertise und einen fairen Businessplan auffiel. Darin steht bis heute, dass alles nachhaltig produziert werden muss und die jahrhundertealte Handschnitztechnik der Region zu berücksichtigen sei. "Teile zum Darüberstreichen", nennt Förster die Ergebnisse dieser Arbeit – und streichelt zärtlich über den neben ihr stehenden Stuhl.

STANDARD: Können Sie anhand dieses Stuhls erklären, wie Ihr Design funktioniert?

Förster: Das ist ein Modell aus Walnuss, es heißt Unna und hat mehrere Preise gewonnen. Ich habe ihn aus strapazierfähigem Holz entworfen, eine skandinavische Tradition, und darauf Holzschnitzereien appliziert, typisch für den Balkan. Die Motive habe ich jedoch modernisiert, keine Blümchen mehr, sondern eine elegante Linie entlang der Rückenlehne, die wie eine Naht bei Polstersitzen aussieht. Nur ein kleines Detail, und schon sieht der Stuhl minimalistischer aus. Dieser reduzierte Touch ist sehr skandinavisch, dazu kommen die menschlichen Proportionen, also keine ungewöhnlichen Formen. Der Stuhl verkauft sich hervorragend, besonders Restaurants bestellen ihn oft. Er ist robust, beinahe nicht kaputtzumachen.

Ein sehr skandinavisch anmutender Sessel namens "Unna", ..
Foto: Zanat

STANDARD: Der deutsche Designer Peter Schmidt hat gesagt, seine Arbeit sei ein ständiges Aufbegehren gegen die Hässlichkeit um ihn herum. Was treibt Sie an?

Förster: Ich bin in einer Kleinstadt in Lappland aufgewachsen, hoch oben im Norden Schwedens, kein Ikea weit und breit, dafür Berge und dichte Wälder. Eine wunderschöne Natur, doch mich beschlich oft das Gefühl, dass die Menschen alles hässlicher machten. Wenn sie ein Haus renovierten, war es egal, wie es aussah, solange die Wände nur gut isolierten. Ich konnte keine Schönheit in meiner Umgebung entdecken. Da wurde mir klar, dass ich selbst etwas schaffen muss, um etwas zu verändern. So lautet bis heute mein Ansatz.

STANDARD: Wann hatten Sie das erste Mal das Gefühl: Ich finde ein Objekt schön?

Förster: In unserer Familie existierte bereits eine Art ästhetisches Bewusstsein. Meine Eltern führten ein kleines Hotel, darin standen lauter Designmöbel. Ich wuchs mit Stühlen von Arne Jacobsen auf.

... ebenso die Schüsselfamilie "Nera", beides für Zanat.
Foto: Zanat

STANDARD: Der dänische Designer gestaltete funktionale Möbel, sein Egg Chair ist nach wie vor ein Klassiker.

Förster: Mein Vater ist ein bekannter Koch in Schweden. Wie er die Speisen auf den Tellern arrangierte, das hatte immer etwas Durchdachtes. Er experimentierte viel, sammelte Flechten im Wald, die normalerweise nur Tiere fraßen, kochte die Flechten oder frittierte sie, um herauszufinden, wie sie schmecken. Allerdings war er ein besonderer Mensch in dieser Kleinstadt. Drumherum arbeiteten die Menschen im Wald oder in einer Fabrik, ihnen standen vielleicht auch nicht die Mittel zu Verfügung, sich schönere Sachen zu leisten.

STANDARD: Ist es leichter, über guten Geschmack zu verfügen, wenn man Geld hat?

Förster: Nein. Guter Geschmack kommt mit Bildung.

STANDARD: Wie bringen Sie Ihrem 15-jährigen Sohn Ästhetik bei?

Förster: Ich ermutige ihn, eine Meinung zu formulieren. Wenn ich ein Kleid anziehe, frage ich ihn: Was hältst du davon? Er antwortet, es gefällt mir nicht, und dann will ich wissen, warum. Ich fordere ihn zu einem Nachdenken heraus. Es ist zu lang, Mama! Instinktiv redet er von Proportionen und entwickelt damit ein Verständnis für Formen.

Nach dem Schulabschluss zog Monica Förster nach Stockholm. Sie studierte an der renommierten Beckmans School of Design, nach ihrem Abschluss gründete sie 1999 ihr eigenes Studio. Gleich daneben, sie zeigt auf die andere Seite des Innenhofs, liegt ihre Wohnung. Dort lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn.

STANDARD: Als Sie in den frühen 80er-Jahren aufwuchsen, war Punk groß. Hat Sie das beeinflusst?

Förster: Möglicherweise hat meine Persönlichkeitsentwicklung mit dieser Zeit zu tun. Ich habe eine klare Meinung, niemand kann mir sagen, was ich tun soll. Mein Ehemann ist genauso. Er war früher mal Punk, jetzt ist er ein bekannter Rockmusiker in Schweden, Staffan Hellstrand. Ich habe als Kind die ganze Zeit Bücher gelesen, die Odyssee mit neun Jahren. Die Geschichte hat mich fasziniert, ein Klassiker, der meine Fantasie anregte. Ich lebte in meiner eigenen Welt, stellte mir meinen eigenen Kosmos vor. Auf eine gewisse Art ist das bis heute so geblieben. Manchmal entsteht daraus eine kommerzielle Idee wie der Unna-Stuhl, manchmal eine komische.

STANDARD: Wie Ihr erster Entwurf: ein Toilettensitz, der im Dunkeln leuchtet.

Förster: Daran war nichts Komisches, er hatte eine ganz klare Funktion. Zuallererst müssen Sie das Licht nicht anmachen, wenn Sie nachts auf die Toilette müssen. Sie können weiter in diesem Schlummerzustand bleiben. In Krankenhäusern würde so ein Sitz außerdem gut funktionieren, weil Demenzpatienten Schwierigkeiten haben, sich zu erinnern, wo die Toiletten sind. Dieser Sitz wäre ein Signal für sie, er würde ihr Leben leichter machen. Das war meine Abschlussarbeit für die Designhochschule. Wir haben die Sitze für die Abschlusspräsentation in allen Schultoiletten eingebaut. Einen Saal verdunkelten wir komplett mit schwarzen Stoffen, darin installierten wir auf sich drehenden Sockeln fünf Toiletten mit leuchtenden Sitzen.

STANDARD: Ein Studio 54 für den Waschraum?

Förster: Es sah wie ein Ballett aus, wenn die Konsolen sich synchron in der Dunkelheit bewegten – fast poetisch. Die Idee wurde vom italienischen Hersteller Magis aufgenommen, leider nie produziert. Ich habe dadurch jedoch meine ersten Kontakte in die Welt der Möbelhersteller bekommen.

STANDARD: Ein anderes Problem, das Sie lösen wollten: der erste ergonomische Bürostuhl für Frauen. Ist Design zu männlich?

Förster: Nicht nur die Gestaltung, die gesamte Gesellschaft. Für viele Problemlösungen ist der Mann der Ausgangspunkt. Gehen Sie einmal in eine Apotheke: Die meisten Medikamente wurden für Männer hergestellt, weil sich die Forschung auf sie konzentriert.

Die fragilen und beschwingten Leuchten der Serie "Circle" für De Padova.
Foto: De Padova

STANDARD: Denken Sie darüber nach, Design weiblicher zu machen?

Förster: Sofern es sich nicht um ein Produkt handelt, das sich direkt an Frauen richtet, nein. Für mich ist Design neutral. In dem Fall des Stuhls war es jedoch anders. Viele Bürostühle sind einfach irre groß, Sie müssen ordentlich draufsitzen, damit sich einer der Hebel bewegt, und bei vielen Frauen hat er nicht funktioniert. Bis heute denke ich, dass es eine gute Idee war. Sie basierte ausschließlich auf ergonomischen Studien, wie anders unsere Körper sind. Nur der Markt hatte ein Problem damit, das zu akzeptieren. Er wurde überhaupt nicht gut angenommen.

Man kann nicht behaupten, dass sich Monica Förster deshalb zurückgezogen habe. Im Gegenteil: Sie ist produktiver denn je, weitet ihr Spektrum aus. In den vergangenen Jahren hat sie Kacheln, Ringe und Weihnachtsschmuck designt, sie hat Tassen entworfen und Duftspender, sie arbeitet mit Gold, Eiche und Messing. Ihr Ansatz ist skandinavisch: eine Form auf eine Idee herunterzubrechen, wenige Ausschmückungen zuzulassen, bis am Ende ein fast bescheidenes Produkt steht. Eine Herangehensweise, die für ein ganzes Land stehen könnte.

STANDARD: Darf man annehmen, dass der Möbelriese Ikea Teil Ihrer Designbildung war?

Förster: Ich denke, das gilt für die gesamte Gesellschaft. Die Marke hat eine große Wirkung auf skandinavisches Design, sie verbreitet es in die ganze Welt. Wie die Welt uns sieht, daran hat Ikea seinen Anteil.

Monica Förster: Ihre Abschlussarbeit an der Designhochschule war ein leuchtender Toilettensitz. Seit diesen Tagen gestaltete sie für große Namen wie Alessi, Cappellini, Wittmann oder Poltrona Frau.
Foto: Monica Förster Design Studio; Camilla Lindqvist

STANDARD: Es gibt die Theorie: Würden die Bauhaus-Gründer heute leben, wären Sie vermutlich bei Ikea angestellt.

Förster: Ich verstehe, was Sie meinen. Beide haben einen demokratischen Anspruch: Design für die Massen. Trotzdem habe ich meine Zweifel. Die Bauhaus-Gründer wollten die Welt revolutionieren, vielleicht hätten sie lieber mit modernen Technologien gearbeitet anstatt mit einer weltweit operierenden Firma.

STANDARD: Auch dank des Möbelhauses kann jeder nun beim Thema Gestaltung mitreden.

Förster: Es gibt noch ein Phänomen, das Design in den Mittelpunkt rückt: den Trend zum Designhotel.

STANDARD: Sie verdrehen die Augen. Was läuft Ihrer Meinung nach falsch?

Förster: Als das Phänomen in den 90er-Jahren auftauchte, fühlte es sich neu an, Gestaltung in den Fokus eines Hotels zu rücken. Ich will auch ein schönes Zimmer, klar, aber mir sind heutzutage andere Dinge wichtiger. Dass das Haus nachhaltig geführt wird, dass ich mir an der Rezeption ein Fahrrad ausleihen kann. Manchmal flippen die Inneneinrichter aus: diese Lichtschalter, die wie Computerkonsolen aussehen, furchtbar!

STANDARD: Gefürchtet sind auch die Badezimmer, in denen man die Toilettenspülung nicht findet.

Förster: Gestern bin ich von Bosnien zurück nach Stockholm geflogen. Ständig hörte ich dieses piepsende Geräusch. Ich drehte mich um: Ist das ein Alarm? Aber keiner von der Kabinenbesatzung störte sich daran. Ein paar Minuten später ging ich auf die Toilette. Als ich spülen wollte, fand ich einen Schalter – und das war der Alarm. Jeder Passagier drückte diesen Knopf, weil der echte nicht zu finden war. Das ist schlechtes Design. (Ulf Lippitz, RONDO, 13.9.2019)