Judo-Verbandspräsident Hans Paul Kutschera.

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Wien – Hinsichtlich der Turbulenzen rund um die Judo-Weltmeisterschaften 2021 in Wien hat es im ÖJV weitere Rücktritte gegeben. Insgesamt sind bereits 8 der 12 Vorstandsmitglieder zurückgetreten. Neuwahlen sind deshalb für 12. Oktober in Wien angesetzt. Ob der aktuelle Verbandspräsident Hans Paul Kutschera dabei antritt, ist unwahrscheinlich.

Der ÖJV-Chef glaubt nämlich, bei den aktuellen Vorgängen eine vorbereitete "Intrige" erkannt zu haben. Kutschera sieht deshalb ein Szenario, dass die aktuell zurückgetretenen Vorstandsmitglieder künftig das Ruder übernehmen, sein eventueller Nachfolger die Lorbeeren ernten und sich in seinem Licht sonnen könnte. "Oder auch nicht", machte der ÖJV-Präsident am Dienstag in einem APA-Gespräch aber auch offensichtlich, dass alles auch komplett anders kommen könnte.

Die Judo-Weltmeisterschaften war vor einem Jahr noch unter dem damaligen Sportminister und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) in Baku an Wien vergeben worden. Vom Gesamt-Budget von zwölf Millionen Euro gehen sechs an den Internationalen Judo-Verband (IJV). Eine Million muss der ÖJV für Preisgelder aufstellen, drei Millionen kommen vom Bund. Im entsprechenden Ministerratsbeschluss hatte die damalige Regierung sogar eine Art "Blankoscheck" ausgestellt mit der Zusicherung, dass der Bund den verbleibenden Teil tragen werde.

"Maulwurf" im Vorstand

Doch dann kam bekanntlich die Ibiza-Affäre, der Strache-Rücktritt und das Platzen der Regierung. Deshalb hatte der ÖJV-Chef in einer vertraulichen und internen Mail – zwei Millionen waren bereits an den IJV überwiesen – auch eine Rückabwicklung der WM prüfen lassen. Informationen darüber seien über einen offensichtlichen "Maulwurf" im Vorstand aber nach außen gedrungen und hätten der Sache sehr geschadet. Kutschera: "Das hat meine Verhandlungen sehr gestört. Der internationale Verband hat mich sofort angerufen."

Er habe wegen dieses offensichtlichen Torpedierungsversuchs deshalb in den vergangenen zwei Monaten nur noch im engsten Kreis gearbeitet und auf Diskretion gepocht, um den Prozess nicht zu gefährden. "Vielleicht gab es deshalb tatsächlich zu wenig Info", gestand Kutschera ein. "Aber ich hatte einen Grund dafür und die großen Fakten waren immer klar. Und am Ende bin ich mit allen Infos natürlich in den Vorstand gegangen. Ich treffe ja keine Entscheidungen alleine."

Mit den vielen Rücktritten hat sich der ÖJV-Vorstand nun fast komplett aufgelöst, nur noch das Tagesgeschäft kann abgewickelt, aber z. B. keine Verträge unterzeichnet werden. Dabei geht die WM-Budgetierung aktuell laut Kutschera sogar einen guten Weg. Denn die ursprünglich von der Stadt Wien erhofften zwei Sponsormillionen werden zwar von der Gemeinde nicht fließen, die hat Kutschera aber laut eigenen Aussagen nun über Sponsoren und Ausfallhaftungen selbst "aufgestellt" und auch schon präsentiert. Auch die Stimmung beim Besuch im Finanzministerium zuletzt sei positiv gewesen, versicherte der Noch-Präsident.

Laut dem ÖJV-Chef hätten auch bei einer kürzlichen Versammlung aller Vereine seine Pläne Zustimmung bekommen. Als Grund für die Probleme kann sich der Verbandschef am ehesten "Eifersucht und Neid" vorstellen. Ob sich der Mediziner am 12. Oktober in Wien dennoch der Wahl stellt, ist offen. "Hundertprozentig ist nichts. Aber ich werde, glaube ich, eher nicht mehr kandidieren", betonte er. "Ich möchte nicht für andere Verantwortung übernehmen, wenn ich nicht am Hebel sitze."

Judo-Weltmeisterschaften jedenfalls wäre eine "Mega-Veranstaltung und eine riesige Impulsgebung", ist Kutschera überzeugt. "Es wäre etwas, worauf wir stolz sein können." (APA, 10.9.2019)