Bei ihm muss man sich stets auf Unerhörtes gefasst machen. Teodor Currentzis setzt mit dem MusicAeterna Orchestra auf Drastik, Impulsivität und Zartheit.

Foto: imago images / ITAR-TASS

Es gibt die frenetisch Jubelnden, die wütend Ablehnenden und die Zweifelnden: Für uninteressant oder langweilig dürfte ihn aber kaum jemand halten. Und ebenso aufregend wie die ersten beiden Teile der halbszenischen Mozart-Da-Ponte-Trilogie im Wiener Konzerthaus war auch der letzte: Vermutlich hat niemand seit Nikolaus Harnoncourt so zielsicher die Aufmerksamkeit der Hörer gelenkt wie Teodor Currentzis, der schon in der Ouvertüre von Così fan tutte seine Lesart aufregend auf die Spitze trieb:

Die rhetorische Frage und Antwort, die sich mit dem musikalischen Motto der Oper verbindet, bringt er in eine aufregende Abfolge des Zögerns und Unerbittlich-Entschlossenen, brodelnd und elektrisierend ist alles Bewegte, von fahrigen, verstörenden Akzenten durchfurcht.

Am anderen Ende der Ausdrucksskala erkundet er mit seinem MusicAeterna Orchestra Randbereiche des Verhaltenen, samtig oder flüsternd, fast verstummend.

Zurücklehnen gilt nicht

Es mag sein, dass die halb szenische Fassung von Nina Vorobyova, die sich sehr wohl wieder als praktikabel erwies, ihr Glück nach dem beglückend komödiantisch-tiefschürfenden Figaro und dem düster-dramatischen Don Giovanni nun etwas zu sehr ihr Glück im Klamauk suchte und die Befindlichkeiten der Figuren diesmal nur andeutungsweise zu sehen waren.

Zu hören waren die emotionalen Ambivalenzen allemal, und zwar vor allem beim Schwesternpaar Fiordiligi (mit großen, frei schwingenden Phrasen: Nadezhda Pavlova, die zwei Tage zuvor schon als Donna Anna die Publikumssympathien abräumte) und Dorabella (mit luxuriöser Sonorität und lebhaftem Schalk: Paula Murrihy, die heuer in Salzburg bei Currentzis' und Peter Sellars' Version von Mozarts Idomeneo mitwirkte und in Wien auch als Cherubino punktete) – Namen, die man sich merken sollte.

Klanglicher Zauber

Konstantin Suchkov strotzte als Guglielmo zu Recht vor Selbstbewusstsein, Mingjie Lei als Ferrando zeigte berückende lyrische Qualitäten, während Anna Kasyan als Despina vielleicht gar etwas zu viel outrierte. Konstantin Wolff war ein solider, milde lächelnder Don Alfonso. Und das Orchester – mit Currentzis als ebenso dauer- wie interaktivem Inspirator – leerte erneut sein Füllhorn an klanglichem Zauber aus, an spontan wirkenden Einwürfen der Continuo-Spieler, an kaum zu überbietender Drastik, Impulsivität und Zartheit.

Wer sich in Konzerten innerlich eher nicht zurücklehnen, sondern auf Unerhörtes gefasst machen möchte, sollte sich folgende Termine bereits vormerken: Am 16. Dezember kommt Currentzis als Chef des SWR Symphonieorchesters mit Mahlers neunter Symphonie, am 28. Februar mit dessen erster Symphonie und mit Richard Strauss' Tod und Verklärung. Im März dirigiert er das MusicAeterna Orchestra bei allen neun Symphonien Ludwig van Beethovens innerhalb gut einer Woche. (Daniel Ender, 10.9.2019)