Die Volksanwaltschaft tritt als Vermittlerin zwischen dem Staat und seinen Angehörigen auf.

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Eine Mutter, der das Jugendamt ihre drei Kinder entzogen hat, sieht sich ungerecht behandelt. Ihrer Meinung nach finden sich in Protokollen und Amtshandlungen Ungereimtheiten, die geforderten Auflagen seien ungerechtfertigt hoch.

Die Frau hat Angst, dass ein angeordnetes psychologisches Gutachten später gegen sie verwendet werden könnte. Sie wendet sich an die Volksanwaltschaft, die den Fall prüft und dabei eine Stellungnahme des Jugendamts einholt. Das Vorgehen führt zum Erfolg: Der Frau werden zwei der Kinder wieder übergeben.

Die österreichische Volksanwaltschaft bearbeitet jährlich an die 20.000 Fälle. Alle haben eines gemeinsam: Bürgerinnen oder Bürger fühlen sich von einer Behörde ungerecht behandelt. Die Beschwerden kommen aus allen Bereichen, in denen die öffentliche Verwaltung eine Rolle spielt, von Raumordnung und Siedlungswesen über Finanzen und Soziales bis zu Polizei und Exekutive.

Als Vermittlerin zwischen dem Staat und seinen Angehörigen trägt die 1977 gegründete Ombudsinstitution zur Schaffung von Gemeinwohl, Public Value, bei. Sie soll einen niederschwelligen Zugang zum Recht eröffnen, gerade für Angehörige schwächerer sozialer Schichten. Vertrauen in Staat und Verwaltung sollen wiederhergestellt werden.

In welcher Weise und in welchem Umfang dies tatsächlich geschieht, wird zurzeit im Rahmen eines Projekts an der FH Campus Wien untersucht. Unterstützung kommt vom Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).

Gesamtgesellschaftliche Sichtweise

Der Begriff Public Value ist keineswegs eindeutig. Projektleiterin Julia Dahlvik von der Fachhochschule Campus Wien unterscheidet drei grundsätzliche Zugänge, die auf das Management in der öffentlichen Verwaltung, auf psychologische Grundbedürfnisse des Individuums oder – und dieser wird in der Betrachtung der Volksanwaltschaft angewendet – auf eine gesamtgesellschaftliche Sichtweise verweisen. "Unsere Perspektive beinhaltet die Frage, was Bürgerinnen und Bürger als wertvoll definieren", sagt Dahlvik.

Es ist schwierig, ein derart abstraktes Konzept messbar zu machen. Dahlvik und ihr Team bedienen sich qualitativer und quantitativer Methoden: "Wir waren als teilnehmende Beobachterinnen und Beobachter bei Sprechtagen, haben vertiefende Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern gemacht, die sich an die Volksanwaltschaft wandten, und haben eine große Umfrage unter Beschwerdeführern gemacht. Auch die Fälle in der ORF-Sendung Ein Fall für den Volksanwalt haben wir analysiert", zählt die Forscherin auf. Gleichzeitig würden alle Prozesse der Institution selbst unter die Lupe genommen.

Fairness in den Prozessen

Natürlich kommt es auch oft vor, dass die Vorstellungen von Gerechtigkeit der Beschwerdeführenden nicht dem Rechtsverständnis der Volksanwaltschaft entsprechen. Aber die Fairness liegt nicht nur im Endergebnis. "Wir sehen uns etwa auch an, was wir ,procedural justice' nennen, also ob Prozesse gerecht organisiert sind und die Bearbeitung der Beschwerden von den Bürgerinnen und Bürgern positiv wahrgenommen werden", erklärt die Forscherin.

Eine wichtige Frage für das Selbstverständnis der Volksanwaltschaft, die Dahlvik und ihr Team im Projekt identifiziert haben, ist, ob abseits des juristischen Teils auch eine "moralische Komponente" Teil der Arbeit sein soll. Sollen Antwortschreiben an Beschwerdeführende beispielsweise über die rechtlichen Klarstellungen hinaus Verständnis und Anteilnahme ausdrücken?

Bei derartigen Fragen haben die Mitarbeiter der Volksanwaltschaft durchaus eigenen Handlungsspielraum. Eine Option für die Zukunft könnte sein, diesen sozialen Aspekt der Arbeit systematisch auszubauen.

Die finalen Ergebnisse des Projekts werden 2020 verfügbar sein. "Was die Daten jetzt schon zeigen, ist, dass die Volksanwaltschaft keine Institution ist, auf die man leicht verzichten kann", resümiert Dahlvik.

"Natürlich gibt es auch Verbesserungsbedarf. Man kann sich überlegen, wie das Angebot noch niederschwelliger und breiter werden kann. Gerade angesichts von Forderungen nach einer Abschaffung, die in der Vergangenheit gestellt wurden, muss man aber klar sagen: Würde diese Kontrolle der Verwaltung wegfallen, wäre das dramatisch." (Alois Pumhösel, 17.9.2019)