Im Wiener Austrian Institute of Technology (AIT) wurde eine interaktive, digitale Plattform zur intelligenten Stadtteilplanung der Zukunft errichtet.

Foto: AIT Digital Resilient Cities

Stadtplanung kann so einfach sein. Das jedenfalls ist das erste Gefühl, wenn man sich die VR-Brille aufsetzt und dann mit einer kleinen Fingergeste – Daumen und Zeigefinger zusammendrücken – die vierte Parkanlage im Stadtentwicklungsgebiet Nordbahnhof einsetzt.

Angelos Chronis, Scientist am Austrian Institute of Technology (AIT), und ein neugieriger Journalist stehen vor einer Wand im ersten City Intelligence Lab Österreichs, wo jetzt auf einem gebeamten Augmented-Reality-Computerbild ein Häuserblock verschwindet und durch eine Parkanlage ersetzt wird. "So wie Parkanlagen könnten Sie jetzt auch alle anderen Parameter verändern."

An der Wand kann man die virtuelle Zukunft der Stadt planen. Neue Bauten, Parkanlagen, Geschäfte, Supermärkte, Öffi-Anschlüsse für alle mit kurzen Gehzeiten. Innerhalb von Sekunden können die Auswirkungen von Bauänderungen, etwa auf das Mikroklima, angezeigt werden. Variiert man beispielsweise die Anzahl der Stockwerke, wird es auf den Straßen kühler, weil sie auch schattiger werden.

Man kann die Straßenbreite variieren, man kann die Windsituation, die Gehwege zu neuen Supermärkten simulieren oder austesten, wie gut angebunden die einzelnen Stadtviertel an öffentliche Verkehrsmittel sind.

Big Data

Digitale Stadtplanung also, so wie sich das Planer in Städten weltweit wünschen. "Sim-City", das Planungsspiel, an das das City Intelligence Lab entfernt erinnert und das von Generationen von Gamern gespielt wurde, sei keine Konkurrenz, meint man lachend. "So viele Parameter wie wir hat man beim Ausbau von "Sim-City" nicht".

Als Software benutzt man im Lab die visuelle Programmiersprache Grasshopper. Diese Software allein würde aber nichts bewirken. "Gefragt ist die Expertise, die da in das Programm eingeflossen ist."

Gefüttert wird das City Intelligence Lab mit Big Data. Am AIT sammelt man bereits seit Jahren Daten zu Parametern der Stadtentwicklung und arbeitet mit anderen digitalen City-Labs zusammen, etwa dem Future City Lab der ETH Zürich in Singapur, oder mit großen Architekturbüros in den USA oder mit Universitäten in Deutschland. Jetzt fließen all das Wissen, die Expertise und Daten in diesem neuen Planungstool zusammen.

"Wir können so die verschiedenen Stakeholder, die am Planungsprozess mitarbeiten, im Diskussions- und Entscheidungsprozess sehr gut unterstützen", sagt Reinhard König, Principal Scientist und gleichzeitig Professor an der Bauhuas-Universität in Weimar. Der Grund: "Neue Ideen und deren Auswirkungen können viel schneller ausprobiert werden."

Mit virtuellen Tools wird Stadtplanung nicht nur schneller, sondern auch günstiger. In sogenannten Feasibility- oder Machbarkeitsstudien können Fragen schneller gelöst werden: ob zum Beispiel Vorstellungen von Investoren und Städteplanern in Einklang gebracht werden können.

"Wir können für jeden Block sofort errechnen, wie viele Apartments auf wie viel Stockwerken gebaut werden können und wie sich die Preise verändern, wenn die Stadtviertel umgeplant werden", sagt König.

Und das kann in ein und demselben Meeting innerhalb von Sekunden passieren. "Man weiß dann schnell, ob sich eine neue Lösung rechnet oder ob sie überhaupt umsetzbar ist." Und manchmal kann eine Planung auch frühzeitig verworfen werden.

Stadplanung mit AI

Stadtplanung ist jedenfalls ein komplexer Prozess, bei dem viele Disziplinen etwas mitzureden haben. "Automatisiert" werde die Stadtplanung durch den Einsatz digitaler Tools und Artificial Intelligence natürlich allerdings nicht, betonen König und Chronis.

Mit dem City Intelligence Lab habe man vielmehr eine interaktive Plattform geschaffen, wo neues Wissen schnell für alle am Planungsprozess Beteiligten zugänglich gemacht werden kann. Schließlich können auch zukünftige Bewohner neuen Stadtteilviertel in den Planungsprozess mit eingebunden werden, was freilich moderierte und gut geplante Diskussionsprozesse voraussetzt.

Ob man im neuen Stadtviertel auf den Nordbahnhofgründen auch eine fünfte Parkanlage einsetzen könnte? Beim Test mit der VR-Brille scheitert der Journalist. "Wir haben nur vier Parkanlagen voreingestellt", meint Chronis. "Aber wir können auch gerne nach oben erweitern." (Norbert Regitnig-Tilian, 14.9.2019)