Benjamin Netanjahu mit einem Plan jenes Gebiets, das Israel seiner Ansicht nach annektieren sollte – wenn er kommende Woche wiedergewählt wird.

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Jerusalem – Eine Woche vor der Parlamentswahl hat der unter Druck stehende Premier Benjamin Netanjahu angekündigt, im Fall seiner Wiederwahl Teile des besetzten Westjordanlandes zu annektieren. "Heute verkünde ich meine Absicht, nach der Errichtung einer neuen Regierung die israelische Souveränität auf das Jordantal und das nördliche Tote Meer auszuweiten", sagte Netanjahu in einer Ansprache am Dienstagabend, die live im Fernsehen und in den sozialen Netzwerken übertragen wurde.

"Dies ist eine Demokratie, Ich werde nichts ohne ein klares Mandat tun. Deshalb bitte ich Sie um dieses Mandat, um diesen Schritt zu gehen, der einen solch großen Konsens findet, um Israels permanente Grenzen zu definieren, mit dem Versprechen, dass Judea und Samaria nicht wie Gaza wird", sagte Netanjahu, der das Westjordanland bei seinem biblischen Namen nennt.

Im Einklang mit den USA

Netanjahu trifft mit seinen Plänen einen Nerv in der israelischen Bevölkerung: Laut einer Umfrage des israelischen Demokratie-Instituts sind 48 Prozent der jüdischen Israelis für einen solchen Plan, nur 28 Prozent dagegen, der Rest ist unentschieden. Netanjahu will mit der Umsetzung der Pläne allerdings warten, bis US-Präsident Donald Trump seinen lange angekündigten Friedensplan vorgestellt hat. Israelische Medien berichten unter Berufung auf Quellen im Umfeld der Trump-Regierung, dass das Weiße Haus im Vorfeld über die Ankündigung am Dienstag informiert worden sein.

Neu sind die Pläne nicht: Bereits im April hatte Netanjahu versprochen, nach seiner Wiederwahl Teile des Westjordanlandes zu annektieren. Doch die Koalitionsverhandlungen im Mai scheiterten, weswegen Israel am 17. September erneut wählt. Netanjahu kämpft derzeit ums politische Überleben: Das Wahlergebnis droht Umfragen zufolge, knapp zu werden und der Premier dürfte erneut große Schwierigkeiten haben, eine Koalition auf die Beine zu stellen.

Opposition sieht "Wahl-Stunt"

Außerdem droht ihm nach einer Anhörung im Oktober die Anklage in drei Korruptionsfällen wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue. Beobachter sehen in Netanjahus Ankündigung einen Versuch, Stimmen im rechten Lager zu gewinnen. Die Opposition reagierte mit Spott und Kritik auf die im Voraus als "wichtige Mitteilung" für die Bürger Israels angekündigte Ansprache des Premiers. Jair Lapid vom Bündnis Blau-Weiß sprach von einem offensichtlichen "Wahl-Stunt" , Netanjahu hätte für diesen Schritt 13 Jahre Zeit gehabt. "Er will nicht Gebiete annektieren, sondern Stimmen von Smotrich". Bezalel Smotrich ist einer der führenden Politiker von "Yamina": Das nationalreligiöse Bündnis – ein natürlicher Partner Netanjahus – nannte Netanjahus Schritt aber ebenfalls einen "Spin" und rief den Premier dazu auf, noch am Abend das Kabinett über die Annexion entscheiden zu lassen.

Der frühere palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat rief die Israelis und die internationale Gemeinschaft dazu auf, diesen "Wahnsinn" zu stoppen. Israel hatte das Westjordanland im Zuge des Sechstagekrieges 1967 erobert, was von der internationalen Gemeinschaft bis heute nicht anerkannt wird. Israel baut seither konstant Siedlungen aus, die Organisation Peace Now zählt mittlerweile mehr als 400.000 israelische Siedler. Das Jordantal gilt dabei als strategisches Gebiet und erstreckt sich entlang der Grenze zu Jordanien. Netanjahu hatte immer wieder angekündigt, die Sicherheitskontrolle über das Tal niemals aus Israels Hand zu geben. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 10.9.2019)